Wolfgang-Hahn-Preis 2023
Francis Alÿs (*1959 in Antwerpen) wird am 17. November 2023 mit dem 29. Wolfgang-Hahn-Preis der Gesellschaft für Moderne Kunst ausgezeichnet.
Die Preisverleihung ist wie immer mit einem Ankauf für die Sammlung des Museum Ludwig verbunden. Francis Alÿs’ zweiteiliges Werk Ohne Titel entstammt dem sogenannten The Sign Painting Project (Schildermalerprojekt, 1993–1997). In einem Zeitraum von vier Jahren entstand eine Serie von Bildern mit der immer gleichen Figur eines Mannes im Anzug im Stil von Emaille-Werbetafeln (span.: Rotulos) der Schildermaler in Mexiko-Stadt. Die Rotulistas waren zur Entstehungszeit der Serie ein prägender Bestandteil des urbanen Lebens in Mexiko. Die Werke spiegeln Francis Alÿs’ Unbehagen an vermeintlich kunstimmanenten Werten wie dem Originalitätsbegriff und anhängigen Wertschöpfungsketten. Auf kleinformatigen Leinwänden malte er ab 1993 die männliche Figur in verschiedenen Positionen mit unterschiedlichen Gegenständen und beauftragte die Schildermaler Juan García, Emilio Rivera und Enrique Huerta mit Kopien, Vergrößerungen und Interpretationen seiner Bilder auf Emaille-Platten. Davon fertigte er teils wiederum malerische Variationen und verglich den Vorgang mit dem Kinder-Spiel Stille Post.
Das Werk wird vom 18. November 2023 bis zum 7. April 2024 im Museum Ludwig in einer kleinen Präsentation zusammen mit dem einführenden Künstlervideo Set Theory (1997, Mexico-City, 13:01 min) zum Schildermaler-Projekt und mit Leihgaben eines Privatsammlers und Mitglieds der Gesellschaft für Moderne Kunst aus der gleichen Werkserie vorgestellt.
Der diesjährige Gastjuror des Wolfgang-Hahn-Preises und Direktor der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Matthias Mühling, erläutert die Einzigartigkeit der künstlerischen Position und die besondere Fähigkeit des Künstlers zur feinen Beobachtung unserer Gesellschaft: »Aus dem Studium sozialer Praxis heraus ist ein Werk entstanden, das eine ganz eigene Poesie des Politischen entwickelt und von der Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum sowie dem Gedanken des Gemeinschaftlichen getragen wird.«
»Natürlich fühle ich mich sehr geehrt, und in diesen polarisierenden Zeiten ist die Verleihung eines solchen Preises bedeutsam und belebend, denn sie vermittelt mir das Gefühl, dass meine eigenen Anliegen und die des Publikums übereinstimmen und dass ein Dialog möglich ist«, sagte Francis Alÿs zur Nachricht seiner Nominierung.
»Wir schätzen uns sehr glücklich, mit Francis Alÿs einen Preisträger aus den zahlreichen und hochklassigen Vorschlägen unserer Mitglieder nominiert zu haben, dessen sozialkritische Kunst uns in einer Zeit der Umbrüche und Unsicherheiten wertevermittelnde Impulse für unser Zusammenleben geben kann. Auf geradezu leichte Art spürt er in seinem Werk den Möglichkeiten nach, in herausfordernden Gegebenheiten scheinbar alltägliche Szenen und Aktionen aufzuzeichnen. Für seine Foto- und Videoarbeiten, Zeichnungen und Malerei begibt sich Alÿs in Regionen schwelender Konflikte wie Afghanistan, den Irak, die Straße von Gibraltar, Jerusalem oder seine Heimatstadt Mexiko.«, sagt Mayen Beckmann, Vorstandsvorsitzende der Gesellschaft für Moderne Kunst.
Yilmaz Dziewior, Direktor des Museum Ludwig: »Francis Alÿs arbeitet über mediale Grenzen hinweg. In seinen Werken manifestiert sich seine einzigartige künstlerische Position darin, wie er unsere Gesellschaft beobachtet. Alÿs’ Untersuchungen und Handlungen, wenn er selbst als Akteur in seinen Werken auftritt, beziehen Themen wie Migration, Grenzziehungen und Folgen der Globalisierung ein und sind Quelle für sein gesamtes Kunstschaffen. Trotz vieler Ausstellungen sind Francis Alÿs’ Werke in Deutschland bislang vor allem in privaten Sammlungen vertreten. Dass die Sammlung des Museum Ludwig durch den Ankauf zum Wolfgang-Hahn-Preis 2023 eine bedeutende Arbeit des Künstlers erhält, ist eine große Bereicherung für unser Haus.«
Über Francis Alÿs
Francis Alÿs (*1959 in Antwerpen) lebt und arbeitet in Mexiko. Ausgebildet als Architekt und Urbanist, zog er 1986 nach Mexiko, um mit lokalen NGOs zu arbeiten. Seit 1990 ist er im Bereich der bildenden Kunst tätig. Francis Alÿs bespielte 2022 den belgischen Pavillon der 59. Biennale von Venedig. Ausstellungen (Auswahl): WIELS Brüssel, 2023; Musée cantonal des Beaux-Arts Lausanne, 2021–2022; Tai Kwun – Centre for Heritage & Arts, Hong Kong; Rockbund Art Museum (RAM), Shanghai, 2018; Ikon Gallery, Birmingham, 2018; Art Gallery of Ontario, Toronto, 2017; DOCUMENTA (13), Kassel, Kabul; Museum of Contemporary Art, Tokio, 2013; Museum of Modern Art (MoMA), New York, 2011; Tate Modern, London, 2010; The Israel Museum, Jerusalem, 2005; Museo Nacional de Arte Reina Sofía, Madrid, 2003; Museo de Arte Moderno, Mexico City, 1997, u.a. Er erhielt 2004 den Blue Orange Preis, 2008 den Vincent Award, 2010 den BACA-laureate Preis, 2018 den EYE Art & Film Prize und 2020 den Whitechapel Gallery Art Icon Award und den Rolf Schock Prize in Visual Arts.
Über den Wolfgang-Hahn-Preis
Der Wolfgang-Hahn-Preis wird jährlich von der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig vergeben, 2023 zum 29. Mal. Mit der Auszeichnung sollen vorrangig zeitgenössische Künstler:innen geehrt werden, die sich in der Kunstwelt durch ein international anerkanntes Œuvre bereits einen Namen gemacht haben, in Deutschland aber noch nicht so bekannt sind, wie sie es verdienen. Das Preisgeld in Höhe von maximal 100.000 Euro setzt sich aus den Beiträgen der Mitglieder zusammen und fließt in den Erwerb eines Werks oder einer Werkgruppe der Künstler:innen für die Sammlung des Museum Ludwig. Mit dem Preis verbunden sind vom Museum Ludwig organisierte Präsentationen der erworbenen Arbeiten der Preisträger:innen sowie die Herausgabe begleitender Publikationen.
Der Name des Preises ehrt das Andenken an den passionierten Kölner Sammler und Gemälderestaurator Wolfgang Hahn (1924–1987), der sich in vielfältiger Hinsicht für die Kunst der europäischen und amerikanischen Avantgarde in Köln engagierte. Seinem vorbildlichen Wirken als Sammler, als Gründungsmitglied der Gesellschaft und als Leiter der Restaurierungswerkstätten des Wallraf-Richartz-Museum / Museum Ludwig fühlt sich die Gesellschaft für Moderne Kunst verpflichtet.