Die Ausstellung zeigt zum ersten Mal Werke dieser zwei Künstler neben- und miteinander. Der Jüngere, Peter August Böckstiegel, als »westfälischer Expressionist« eng mit seiner Heimat verbunden und dort besonders anerkannt, gilt als Vertreter einer »zweiten Generation« des deutschen Expressionismus. Der Ältere, Emil Nolde, war seiner nordfriesischen Herkunft mindestens so stark verbunden, doch reichen seine Bedeutung als Protagonist der heute als »klassisch« bezeichneten Moderne und seine Bekanntheit weit darüber hinaus.
Beide Künstler wurden von der Nachwelt besonders als Maler wahrgenommen. Nolde und Böckstiegel haben jedoch auch ein bedeutendes grafisches Œuvre hinterlassen, das für die Entstehung ihrer Bildwelten eine besondere Rolle spielte. Die Ausstellung nimmt diese Beziehung zwischen Gemälden und Grafiken in den Blick und untersucht deren Bedeutung im Schaffen der Künstler. Beide haben Holzschnitte, Lithografien und Radierungen, aber auch Zeichnungen und Aquarelle genutzt, um die Motive, Bildideen oder -kompositionen ihrer Gemälde vorzubereiten, zu reflektieren, aber auch zu verändern und zu variieren. Dieses als »gegenseitige Befruchtung« beschriebene und ganz bewusste Wechselspiel ist für ihr Schaffen von großer Bedeutung. Die Gegenüberstellung von Gemälden und Grafiken ermöglicht somit einen Blick auf den Entstehungsprozess ihrer Werke, sie beantwortet Fragen und wirft zugleich neue auf.
Die Ausstellung wird auch zeigen können, dass Böckstiegel das Werk Noldes nicht nur wahrnahm, sondern es auch schätzte. Auch wenn er dessen Bildern nicht kritiklos gegenüberstand, waren mindestens sechs Werke Teil seiner umfangreichen Kunstsammlung, ein Aquarell und fünf Grafiken.
In den letzten Jahren ist immer deutlicher geworden, dass Nolde schon zu Lebzeiten – nach seinem Tod sekundiert von loyalen Weggefährten – seine Biografie und sein Schaffen mit einem wirkmächtigen Mythos verwob: als ein zwar von den Nationalsozialisten verfemter, doch resilienter und gar widerständiger Künstler. Die kunsthistorische Forschung konnte dem Fakten entgegensetzen: Nolde war überzeugter Nationalsozialist, äußerte sich antisemitisch und biederte sich an den NS-Machtapparat an – was nicht mehr verschwiegen werden darf, wenn Noldes Kunst öffentlich ausgestellt wird. Und obwohl sich diese Ausstellung einem anderen Thema widmet, sollen »Fakten und Fakes« über Noldes Biografie präsent sein. In einem Museum, das dem Künstler Peter August Böckstiegel gewidmet ist, muss es ein Anliegen sein, die unterschiedlichen Grade von Verbindungen und Verstrickungen in einer menschen- und kunstfeindlichen Diktatur klar zu benennen. Das Erforschen von Biografien, Werke und Handlungsoptionen von Künstlerinnen und Künstler während dieser zwölf Jahre mag sicher Geglaubtes in Frage stellen und den Blick auf Geschätztes erschüttern. So sehr dies Verpflichtung ist, so wenig ist es abgeschlossen – das gilt für Böckstiegel wie für Nolde.
Die Ausstellung entsteht in enger Kooperation mit der Nolde Stiftung in Seebüll, wird vom P.A. Böckstiegel-Freundeskreis unterstützt und großzügig vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.