Give Me Para­dox or Give Me Death ist eine um­fan­greiche Einze­lausstel­lung der ein­fluss­reichen US-amerikanischen Kün­st­lerin Roni Horn mit über ein­hun­dert Werken, die von den An­fän­gen ihr­er kün­st­lerischen Tätigkeit bis heute reichen.

Roni Horns Werk reicht von Fo­to­gra­fie über Zeich­nung und Kün­stler­buch bis hin zu Skulp­tur und In­s­tal­la­tion. Hin­ter dies­er Of­fen­heit ste­ht das Ver­ständ­nis der Kün­st­lerin, das Alles in der Welt wan­del­bar ist und sich kein­er fes­ten Zuschrei­bung un­terord­nen lässt. Die Ausstel­lung im Mu­se­um Lud­wig be­trachtet diese Idee an­hand von drei wied­erkehren­den The­men in Horns Schaf­fen: Na­tur, Iden­tität und Sprache.

Der Ti­tel der Ausstel­lung ge­ht auf Pa­trick Hen­ry, einem her­aus­ra­gen­den Vertreter der amerikanischen Un­ab­hängigkeits­be­we­gung im 18. Jahrhun­dert, zurück, der eine Rede mit den berühmten Worten been­dete: »Gebt mir Frei­heit oder den Tod!« In­dem sie »Frei­heit« durch »Para­dox« erset­zt, ver­weist die Kün­st­lerin auf ihre Vor­liebe für die Kop­plung zwei ei­nan­der wider­sprechen­der Aus­sa­gen. Dies­er für ihr Werk zen­trale As­pekt fin­d­et auch Nied­er­sch­lag in ihr­er Ver­wen­dung von Dop­plun­gen und Paaren.

Am Ein­gang zur Ausstel­lung wer­den die Be­such­er:in­nen von This is Me, This is You (1997–2000) be­grüßt. Auf zwei ei­nan­der ge­genüber­lie­gen­den Wän­den wer­den jew­eils ach­tund­vierzig ger­ahmte Fo­to­gra­fien präsen­tiert, die die Nichte der Kün­st­lerin in ihr­er Ju­gend zei­gen. Die Porträts wur­den im Ver­lauf von zwei Jahren aufgenom­men. Jedes Fo­to hat ein Pen­dant auf der ge­genüber­lie­gen­den Wand, das sich nur durch min­i­male, in Bruchteilen von Sekun­den aufge­tretene Verän­derun­gen un­ter­schei­det. 1989 er­läuterte Horn in einem In­ter­view: »Die Paar­form ver­weigert sich durch die Be­din­gung, dop­pelt zu sein, ak­tiv der Möglichkeit, als ein Ding an sich er­fahren zu wer­den.« Der Ein­satz von Dop­pelun­gen und Paaren trägt auch Horns Überzeu­gung Rech­nung, dass Iden­tität fließend sei.

Yil­maz Dziewior, Ku­ra­tor der Ausstel­lung, kom­men­tiert: »Lange bevor Be­griffe wie ›gen­derqueer‹ oder ›non­binär‹ in den öf­fentlichen Diskurs ge­langten, un­ter­suchte Roni Horn bere­its fluide Darstel­lun­gen von Gen­der. Auf ihren (Selbst-)Porträts ist eine Per­son zu se­hen, die zwischen den Gesch­lechtern fluk­tuiert, ohne dass sie für diese Ex­is­ten­zweise ein ei­genes Wort zu fin­d­en bräuchte. Sie zeigt Men­schen als Or­gan­is­men, die sich fortwährend im Zu­s­tand der Ver­wand­lung befin­d­en. Horns Ob­jekte, Fo­to­gra­fien und Zeich­nun­gen, ob­s­chon höchst präzise und hoch­gradig äs­thetisch, be­sitzen eine be­freiende und emanzi­pa­torische Kraft, ger­ade weil sie oft sch­w­er fass­bar sind und sich ein­deuti­gen Def­i­ni­tio­nen entzie­hen.«

Beim Gang durch die Ausstel­lung tr­ef­fen die Be­trachter:in­nen auf bis­lang noch nie aus­gestellte Zeich­nun­gen der späten 1970er Jahre, außer­dem auf eine Auswahl von Farbpig­ment-Zeich­nun­gen, die zwischen 1983 und 2018 ent­s­tan­den sind. Zu den vorgestell­ten fo­to­gra­fischen Werken ge­hören die bahn­brechende Ar­beit Still Wa­ter (The Riv­er Thames, for Ex­am­ple) (1999), die in fün­fzehn Fo­to­gra­fien ein Porträt der Themse in Sü­deng­land en­twirft, a.k.a. (2008/2009), eine Se­rie, die die Kün­st­lerin in ver­schie­de­nen Mo­men­ten ihres Lebens zeigt, sowie Por­trait of an Im­age (with Is­a­belle Hup­pert) (2005/2006) mit Auf­nah­men, in de­nen die franzö­sische Schaus­pie­lerin in ver­schie­de­nen ihr­er Film­rollen auftritt.

Zu den Skulp­turen in der Ausstel­lung ge­hören Werke aus der Se­rie When Dickin­son Shut Her Eyes (1993–2008), in der Horn Gedichte von Emi­ly Dickin­son auf­greift, Gold Field (1980/1994), das zu 99,99 Prozent aus Blatt­gold beste­ht, und Un­ti­tled (»The tini­est piece of mir­ror is al­ways the whole mir­ror«) (2022), ein zeh­n­teiliges Werk aus Guss­glas, das die Umge­bung re­flek­tiert.

Über Roni Horn:

Roni Horn wurde 1955 in New York ge­boren. Sie schloss 1975 ihr Studi­um an der Rhode Is­land School of De­sign in Provi­dence ab und er­warb 1978 ei­nen Mas­ter-Ab­sch­luss in Bild­hauerei an der Yale Uni­ver­si­ty. Ihr Schaf­fen konzen­tri­ert sich auf konzeptuell aus­gerichtete Fo­to­gra­fie, Skulp­tur, Zeich­nun­gen und Kün­stler­büch­er. Seit 1975 un­tern­immt Horn Reisen in die abgele­generen Land­schaften Is­lands. Die Er­fahrun­gen von Ein­samkeit haben ihr Leben und Werk nach­haltig geprägt. Lit­er­a­tur und Horns um­fan­greiche Lek­türe prä­gen ihr ge­samtes Schaf­fen eben­so maßge­blich.

Zu ihren jüng­sten Einze­lausstel­lun­gen ge­hören: Tate Mod­ern, Lon­don; Whit­ney Mu­se­um of Amer­i­can Art, New York; Cen­tre Pompi­dou, Paris; Kun­sthaus Bre­genz; Kun­sthalle Ham­burg; Kun­sthalle Basel; Fun­da­ció Joan Miro, Barcelo­na; De Pont Foun­da­tion, Til­burg; Fon­da­tion Beyel­er, Rie­hen; Glen­s­tone Mu­se­um, Po­to­mac, MD; Pi­nakothek der Mod­erne, München; Me­nil Draw­ing In­sti­tute, Hous­ton, TX; Po­la Mu­se­um of Art, Hakone, Ja­pan; Bourse de Com­merce – Pi­nault Col­lec­tion, Paris; Wins­ing Arts Foun­da­tion, Taipeh; Cen­tro Botín, San­tan­der; He Art Mu­se­um, Guang­dong, Chi­na. In die­sem Jahr hat Horn neben der Ausstel­lung im Mu­se­um Lud­wig eine große Einze­lausstel­lung im Louisia­na Mu­se­um of Modere Art in Hum­le­bæk, Däne­mark.

Ku­ra­tor: Yil­maz Dziewior 

Ku­ra­torische As­sis­tenz: Ker­stin Renerig, Leonore Spe­mann

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