Am 19. Mai 2024 wäre der Kölner Fotograf Chargesheimer (1924–1971), eigentlich Karl Heinz Hargesheimer, einhundert Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass zeigt das Museum Ludwig im Fotoraum eine Auswahl von rund fünfzig seiner Werke. Chargesheimer wurde mit den Fotobüchern Cologne intime und Unter Krahnenbäumen bekannt, die der Stadt Köln und ihrem Alltagsleben gewidmet sind. In der Präsentation sind dreiundvierzig der in diesem Zusammenhang entstandenen Fotografien zu sehen. Zwei Videos erlauben Einblick in die Fotobücher. Außerdem bezieht die Präsentation drei von Chargesheimers weniger bekannten Skulpturen – Mediationsmühlen – ein und zeigt sechs seiner abstrakten Fotoexperimente.
1957 erschienen Chargesheimers Fotografien in dem vom damaligen Leiter des Nachrichtenamtes der Stadt Köln Hans Schmitt-Rost betreuten Fotobuch Cologne intime. Der Auftrag lautete, repräsentative Aufnahmen des Wiederaufbaus der kriegszerstörten Stadt anzufertigen, dabei aber auch die »typischen« Kölner:innen festzuhalten. Chargesheimer steuerte Fotografien bei, die sich durch einen ungewohnten und direkten Blick auf das Alltagsleben auszeichnen. In seinem 1958 erschienenen Buch Unter Krahnenbäumen, das er alleine verantwortete, setzte er solche Fotografien zu kontrastreichen Motivserien zusammen. Ungeschönt, aber auch liebevoll dokumentiert er die Straße in Köln, deren Name dem Buch seinen Titel leiht. Er zeigt das Straßen- und Kneipenleben eines damals noch intakten und lebendigen Kölner Viertels. Heinrich Böll schreibt im Vorwort zu dieser Publikation: »Vielleicht wird nur in Straßen, wie diese eine ist, richtig gelebt.«
Chargesheimer verfolgte vielfache Interessen. Neben der dokumentarischen Abbildung beschäftigte er sich mit der Fotografie als bildgebendes Medium. Bereits Ende der 1940er Jahre begann er mit den Mitteln von Lichtgrafik und fotochemischen Prozessen zu experimentieren und Fotografien ohne Kamera herzustellen. »Schwenken, Wischen, Schaben, Abkühlen, Brennen – Zufügung von Säuren, Basen, Farben und Lacken« so beschreibt Chargesheimer seine Experimente mit Fotoplatten und Negativen im Text zu seiner ersten Ausstellung in Mailand 1950. Die Ergebnisse dieser experimentellen Arbeiten sind malerisch im Stil des damals vorherrschenden Informel.
Ab 1967 schuf Chargesheimer kinetische Skulpturen aus Plexiglas, die er als Meditationsmühlen bezeichnete. Drei davon aus der Sammlung des Museum Ludwig werden nun nach rund zwanzig Jahren erstmals wieder präsentiert. In den kuppelförmigen Konstruktionen sind über mehrere Ebenen kristalline Elemente aus Plexiglas organisiert, die durch ein komplexes Zahnradsystem in Bewegung gesetzt werden. Die verwirrende Fülle der Plexiglasprismen mit ihren Lichtreflexen bildet einen auffälligen Kontrast zur präzisen Mechanik der Zahnräder. Chaos und Kontrolle scheinen sich hier zu ergänzen.
Kuratorin: Barbara Engelbach