Mit der Ausstel­lung »Fluxus und darüber hi­naus: Ur­su­la Burghardt, Ben­jamin Pat­ter­son« be­trachtet das Mu­se­um Lud­wig die bis heute ein­fluss­reiche Kun­st­be­we­gung der 1960er Jahre neu. Aus­gangspunkte sind die Werke der Kün­stler:*in­nen Ur­su­la Burghardt (1928–2008) und Ben­jamin Pat­ter­son (1934–2016). Beide Kün­stler:in­nen waren mit dem Fluxus-Net­zw­erk ver­bun­den. Aus un­ter­schiedlichen Grün­den ver­blieben sie je­doch an dessen Pe­ripherie und sind da­her bis heute wenig oder gar nicht bekan­nt.

Köln, eines der vib­ri­eren­den kün­st­lerischen Zen­tren des Rhein­lan­des jen­er Zeit, wurde An­fang der 1960er Jahre zum Tr­eff­punkt in­ter­na­tio­naler Kün­stler:in­nen. Eine große Anzie­hungskraft ging vom Stu­dio für Elek­tronische Musik des WDR aus. Die Fluxus-Be­we­gung knüpfte an die Neue Musik an. Aus­ge­hend von musikalischen Konzepten, die be­son­ders von John Cage bee­in­flusst waren, ent­fal­tete sich Fluxus in Ak­tio­nen und Auf­führun­gen, die Kunst und Leben sowie un­ter­schiedlich­ste Me­di­en mitei­nan­der ver­sch­molzen. Im Ate­li­er der Kün­st­lerin Mary Bauermeis­ter in Köln fan­den zahl­reiche Ve­r­an­s­tal­tun­gen statt, bei de­nen Musik, Lit­er­a­tur, Kunst und Ar­chitek­tur zusam­menge­bracht wur­den. 1960 kam es hi­er zur per­sön­lichen Begeg­nung von Burghardt und Pat­ter­son.

Der er­ste Teil der Ausstel­lung ist den An­fän­gen von Fluxus in Köln, Wies­ba­den und Wup­per­tal mit einem Aus­blick nach Paris und New York gewid­met. Zu­gleich wird der ge­sellschaft­shis­torische Kon­text Kölns jen­er Zeit in den Blick genom­men. Die von Trüm­mer­grund­stück­en, wieder­hergestell­ten Häusern und repräsen­ta­tiv­en Neubaut­en geprägte Stadt stand im Zeichen von Ver­drän­gung. In der west­deutschen Nachkriegs­ge­sellschaft war die Ide­olo­gie des Na­tio­n­al­sozial­is­mus nicht plöt­zlich ver­sch­wun­den. So wur­den 1959 bun­desweit Hun­derte an­ti­semi­tisch­er An­sch­läge verübt, von de­nen ein­er die ger­ade wied­er herg­erichtete Sy­n­a­goge in der Köl­n­er Roon­s­traße traf.

Im zweit­en und drit­ten Teil wer­den in ei­ge­nen Bereichen die Werke von Burghardt und Pat­ter­son vorgestellt, wobei auch die Brüche in ihren jew­eili­gen Kar­ri­eren beleuchtet wer­den.

Ben­jamin Pat­ter­son, in Pitts­burgh ge­boren und studiert­er Musik­er, hatte um 1960 ein um­fan­greich­es Kon­vo­lut von Par­ti­turen geschaf­fen und or­gan­isierte mit Ge­orge Ma­ci­u­nas 1962 in Wies­ba­den die Fluxus: In­ter­na­tio­nale Fest­spiele Neuester Musik, die als Ge­burtss­tunde von Fluxus gel­ten. Da­nach un­ter­brach er seine Kar­riere für eine 22-jährige Er­werb­sar­beit in den USA. Er fällte seine Entschei­dung in einem weiß do­minierten kün­st­lerischen Um­feld, mit dem er die Er­fahrung »tief­sitzen­der Ent­frem­dung« ver­band. Erst 1988 be­gann er sich wied­er ganz sein­er kün­st­lerischen Ar­beit zu wid­men. Die Ausstel­lung stellt diese Schaf­fen­sphase um­fassend vor.

Ur­su­la Burghardt, in Halle an der Saale ge­boren, floh 1936 mit ihren El­tern vor der Ver­fol­gung jüdisch­er Men­schen durch die Na­tio­n­al­sozial­is­ten nach Buenos Aires.Dort studierte sie später Malerei und Gra­fik sowie 1952 bis 1953 Bild­hauerei in Paris. Burghardt hatte bere­its an vielen Ausstel­lun­gen in Sü­dameri­ka teilgenom­men, als sie 1957 mit ihrem Mann, dem Kom­pon­is­ten Mauri­cio Kagel, nach Köln über­siedelte. Das Leben als Jüdin in­mit­ten der post­nazis­tischen Ge­sellschaft der al­ten Bun­des­re­pub­lik und deren Leug­nung der ei­ge­nen Täter­schaft war für sie prä­gend. Zu­dem war sie lange ohne Ate­li­er der famil­iären Sorgear­beit verpflichtet und un­ter­brach ihre kün­st­lerische Ar­beit zwischen 1960 und 1965, als sie zwei Töchter bekam.

Pat­ter­son blieb während sein­er langjähri­gen Auszeit mit Fluxus ver­bun­den, weil seine Stücke häu­fig mit sein­er Teil­nahme weit­er aufge­führt wur­den. Zwar wird er heute zu den Mit­be­grün­der:in­nen von Fluxus gezählt, sein Werk blieb je­doch in der Rezep­tion lange un­berück­sichtigt. Burghardt wiederum ge­hörte nicht di­rekt zum Fluxus-Kreis. Sie stand je­doch in Kon­takt zu Kün­stler:in­nen, die mit Fluxus as­soziiert waren. Nach ihr­er Schaf­fens­pause 1965 wandte sie sich von der ab­s­trak­ten Skulp­tur ab und be­gann, All­t­ag­sob­jekte aus Me­t­all und Stof­fen nachzu­for­men. Dabei ver­fremdete sie die Ge­gen­stände durch den Ma­te­rial­trans­fer in ein­er Weise, dass sie die Ab­s­trak­tion in sich auf­nah­men. Ihr Werk und die sub­ver­sive und per­for­ma­tive Be­deu­tung der Ob­jekte sind bis­lang noch nicht hin­reichend gewürdigt wor­den.

»Fluxus und darüber hi­naus: Ur­su­la Burghardt, Ben­jamin Pat­ter­son« wird von einem um­fan­greichen Rah­men­pro­gramm mit Konz­erten, Le­sun­gen und Work­shops be­gleit­et.

Ku­ra­torin: Bar­bara En­gel­bach
Ku­ra­torische Be­r­a­tung: An­ne­mone Chris­tians-Bernsee (NS-Doku­men­ta­tion­szen­trum Köln) und ju­lia el­iz­a­beth neal (His­to­ry of Art De­part­ment, Uni­ver­si­ty of Michi­gan, USA)

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