In ihrer künstlerischen Arbeit befasst sich Josephine Pryde mit der Entstehung und dem Konsum von Bildern, wobei sie ihren Fokus insbesondere auf die Fotografie und damit verbundene Produktionsweisen legt. Mit unterschiedlichen technischen Mitteln greift sie Vorstellungen auf, die durch kameragestützte Bilder vermittelt werden, um etablierte Rezeptionsweisen und Erwartungen an die Darstellung des Sichtbaren neu zu befragen.
How Frequency The Eye knüpft an Prydes jüngste Untersuchungen an und erkundet, wie sich Prozesse der Wahrnehmung, Kognition und Sprache im Rahmen einer Kunstausstellung verhandeln lassen. Ihre Präsentation versammelt neben früheren Arbeiten einen Kurzfilm und eine neu geschaffene Serie von Fotografien, in der sie den Wechselwirkungen zwischen Auge und Bewusstsein nachgeht.
Vor dem Hintergrund sich ständig weiterentwickelnder technischer Systeme der Bildgebung berücksichtigen Prydes Fotografien sowohl körperliches Sehen, als auch Spekulationen darüber, wie unsere Vorstellungskraft funktioniert. Studien zur Wahrnehmung haben gezeigt, dass nur ein geringer Prozentsatz dessen, was wir »sehen«, aus Lichtwellen besteht, die vom Gehirn verarbeitet werden. Weit mehr als die Hälfte unseres »Sehens« besteht aus Erinnerungen, anhand derer der Verstand den visuellen Mustern, die vom Gehirn entschlüsselt wurden, einen Sinn gibt.[1] Sehen ist somit kein passiver Vorgang, sondern eine aktive Tätigkeit, die kontinuierlich auf das Unbewusste zurückgreift und mit den Technologien und Apparaturen interagiert, die Bilder erzeugen und vermitteln.
Für ihre neue Serie, bestehend aus den Sequenzen Television, Potholes, Causeway (W2–A1) und Stones (alle 2024), manipuliert Pryde den Blick auf ihre Motive mithilfe eines eigens entwickelten Objektivkonverters. Verschwommene Bildränder erinnern an einen durch aufsteigende Tränen getrübten Blick und markieren einen Übergang vom Sichtbaren zum Unsichtbaren. Bilder kommen näher und entfernen sich wieder, erinnern uns an die körperlichen Aspekte des Sehens, um sich schließlich mit dem komplexen Geflecht unserer Erinnerungen zu verbinden. Obgleich es mal ein Objekt vor der Fotografie gab, verbleibt das, was letztlich abgelichtet und als Objekt wahrgenommen wurde, als Frage im Bild.
Eine architektonische Installation im ersten und gleichzeitig letzten Raum der Ausstellung greift die transparente Struktur des Wintergartens des Hauses am Waldsee auf und schafft ein Wahrnehmungsdispositiv, das Bewegungen zwischen Innen und Außen auch räumlich reflektiert. Jedes Element der Ausstellung ist dabei Teil einer Konstellation, die Operationen, Praktiken und Ereignisse außerhalb des Visuellen in den Fokus rückt und den Einfluss dessen, was man nicht sieht, auf das, was man sieht, hervorhebt.
[1] Vgl. Barbara Stevens Sullivan, The Mystery of Analytical Work: Weavings from Jung and Bion (London: Routledge, 2010), S. 70.