»Im Umgang mit den Asymmetrien und gewalttätigen Eskapaden, die die Gegenwart bestimmen, wäre es falsch, die Zukunft zu vergessen – das Hier und Jetzt ist einfach nicht genug. Queerness sollte und könnte das Begehren nach einer anderen Art zu sein zum Anliegen haben, sowohl in der Welt wie in der Zeit, ein Begehren, das dem Zwang widersteht, sich mit dem zufriedenzugeben, was nicht genug ist.« (José Estebean Muñoz, Cruising Utopia: The Then and There of Queer Futurity, 2009)

forms of the surrounding futures reagiert auf den gegenwärtigen Zustand der permanenten Krise, indem plurale Erzählungen jenseits einer normativen Dominanz für ein Morgen in den ausgestellten Werken und den Performances verkörpert und gefeiert werden. Dabei umgeht die Ausstellung vorherrschende Paradigmen, die den Status quo aufrechterhalten und mögliche Zukünfte vorwegnehmen, um unsere gegenwärtige Zeit als Moment der Transformation voller Potenzialität zu begreifen. Ein erweiterter Begriff von »queer« bildet den Ausgangspunkt, um die vorherrschenden Paradigmen und Machtstrukturen in Frage zu stellen und die Konstruktion von Körpern, Räumen und Zeiten zu überdenken und neuzugestalten.

Mit der Adaption der GIBCA 2023 (Göteborg International Biennial for Contemporary Art) greift die Kunsthalle Münster anhand der Werke von internationalen Künstler:innen Erzählungen auf, die die kollektive Fähigkeit nutzen, sich künftige Welten vorzustellen und zu proben: Träume, gemeinschaftsbildende Praktiken, Verletzlichkeit und Begehren dienen als Ansatzpunkte für die Neuerfindung des Potenzials wie der Grenzen von Körper und Sprache.

Das 20. und 21. Jahrhundert hindurch nahmen Feminist:innen, LGBTQ+ und rassifizierte Stimmen mit ihren Aktivitäten einen zentralen Platz im Kampf gegen die Strukturen der Ungleichheit ein und etablierten sich als Vorkämpfer:innen alternativer Szenarien. Veränderung ist regelmäßig das Resulat der Kämpfe von Unterdrückten. Sexualisierte und rassifizierte »Andere« waren schon immer in größerem Maße kritischen Situationen ausgesetzt, was nichts anderes heißt, als dass sie an vorderster Front der gesellschaftlichen Kämpfe stehen. Die herrschenden Strukturen beseitigen zu wollen, schließt auch den intersektionalen Kampf für gleichberechtigte und nichtkomforme Formen des Lebens mit ein – einen Kampf, der auch für die voneinander abhängigen und miteinander verwobenenen Systeme des Lebens auf dem Planeten geführt wird.

forms of the surrounding futures schmiedet eine Allianz der Anderen, spricht dabei gemeinsam geteilte dringliche Bedürfnisse an und hält plurale Narrative eines Morgen hoch. Das Projekt folgt der Position der Geografin Natalie Oswin: »queer« stellt ihr zufolge eine Herausforderung der Norm dar, und zwar, indem queer »jenseits einer Macht und Kontrolle operiert, die Normativität durchsetzt« und dabei ein »radikales (Neu-)Denken, (Neu-)Zeichnen, (Neu-)Konzeptualisieren, (Neu-)Vermessen« beinhaltet, »das imstande ist, Körper, Räume und Geografien (neu) zu machen« (Natalie Oswin, Critical Geographies And The Uses Of Sexuality: Deconstructing Queer Space, 2008). In einem solchen erweiterten Verständnis wird queer als kollektive, emanzipative Position sichtbar, die rassifizierte, sexualisierte und naturalisierte Andere miteinschließt und sie in nicht-normativer Nähe zueinander platziert, sodass die konstruierte Natur der Gegenwart ebenso sichtbar wird wie das Entstehen multipler Zukünfte.

Kuratiert von João Laia im Dialog mit Merle Radtke

Eröffnung: 3. Mai 2024, 18 Uhr

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