1987 realisierte Ludger Gerdes mit Schiff für Münster im Rahmen der Skulptur Projekte sein erstes großes ortsspezifisches Werk für den öffentlichen Raum. Bei Schiff für Münster handelt sich um eine gemauerte, von einem Wassergraben umgebene und mit Rasen bedeckte Insel in Form eines Schiffes. Auf dem Heck steht eine hölzerne Säulenarchitektur, zwei Pappeln in der Mitte der Insel dienen als Schattenspender. Die Installation befindet sich am Rande an Münsters Grenze zum ländlich geprägten Umland. Das Schiff erinnert an die Binnenschiffe des Dortmund-Ems-Kanals. Durch die narrative Bildsprache stellt Gerdes seine Kunst in einen erlebbaren Zusammenhang mit der Welt. 2024 wäre Ludger Gerdes 70 Jahre alt geworden, dies möchte die Kunsthalle zum Anlass nehmen, sein Werk in den Fokus zu rücken und durch eine Ausstellung in der Stadthausgalerie zu kontextualisieren.
Ludger Gerdes war ein vielseitiger Praktiker: Maler, Bildhauer und Fotograf, aber auch Schriftsteller und Theoretiker. Er wandte sich diesen Medien episodisch zu, um seine dauerhafte ästhetische und philosophische Untersuchung der Möglichkeiten der künstlerischen Autonomie im öffentlichen Raum zu entwickeln. Während seines Studiums an der Düsseldorfer Akademie in den frühen 1980er Jahren freundete sich Gerdes mit einer Gruppe von Künstlern an, die ein gemeinsames Interesse an Skulptur, Architektur und Modellbau hatten. Zu dieser Gruppe, die als Modellbauer bekannt wurde, gehörten Thomas Schütte, Reinhard Mucha, Wolfgang Luy und Harald Klingelhöller. Gerdes war maßgeblich an der intellektuellen Ausrichtung der Gruppe beteiligt und schrieb ausführlich über ihre Arbeit im Kontext der utopischen politischen Philosophie, Ästhetik und Architektur. Für Gerdes war das Modell nicht nur eine Frage des Maßstabs, sondern eine Quelle des kritischen Denkens. Seine Idee des Denkmodells bot einen Rahmen für das künstlerische Schaffen in Form einer Skizze, eines Plans oder eines Textes; eine Arbeitshypothese, die »manchmal ernsthaft, manchmal ironisch« auf vielfältige Weise visuell und bildhauerisch ausgearbeitet werden konnte.
Durch das Zusammenbringen von Skulpturen und Gemälden, die Gerdes in den 1980er Jahren geschaffen hat, mit einem der ambitioniertesten Werke des Künstlers aus den 1990er Jahren, der Fotoserie Public Space – Private View wird ein weiterer Einblick in das Werk des Künstlers gegeben. Gerade seine fotografische Studie über städtische und ländliche Umgebungen, die die Rolle der Kunst über die Institutionen und Zielgruppen hinaus betrachtet, die sie normalerweise strukturieren, scheint im Kontext der Öffentlichen Sammlung von besonderer Bedeutung, nicht nur für die Kontextualisierung für sein Schiff für Münster.
Ludger Gerdes (1954–2008) begann sein Studium an der Kunstakademie Münster (Klasse Timm Ulrichs und Lothar Baumgarten) und wechselte wenige Jahre später zu Gerhard Richter an die Kunstakademie Düsseldorf. 1983 war er Stipendiat des Kunstfonds und wurde u.a. durch den Ars-Viva-Förderpreis des Kulturkreises im BDI und den Sprengel Preis für bildende Kunst Hannover ausgezeichnet. Nach Lehrtätigkeiten an der Frankfurter Städelschule und der HFG Karlsruhe unterrichtete er als Professor für Malerei an der Muthesius-Hochschule Kiel.
Kurator:innen: Matthew Hanson + Merle Radtke
Die Ausstellung entsteht in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler:innenarchiv der Stiftung Kunstfonds. Es wurde 2010 als Modellprojekt für den Umgang mit künstlerischen Vor- und Nachlässen gegründet. Gleichzeitig werden im Archiv Konzepte für ein Kunsterbe der Zukunft entwickelt, erprobt und diskutiert.
Eröffnung: 9. Juli 2024, 18 Uhr