Im Jahr 1970 führt Günter Brus mit der Zerreißprobe seine letzte Aktion durch. Auf Einladung des Kohlkunstverlags in Frankfurt beginnt er, die Erfahrungen seiner aktionistischen Zeit zeichnerisch aufzuarbeiten und spontan Texte zu verfassen. Die Repressalien, die er von Staat und Gesellschaft erfahren hat und die ihn ins Berliner Exil haben flüchten lassen, veranlassen ihn, das Provokationspotenzial zu erhöhen. Die Werke zeigen ein letztes anarchisches Agieren gegen die diversen Institutionen der Macht wie etwa Kirche, Staat, Justiz oder Bundesheer, eine wütende Abrechnung mit allem, was die freie Entfaltungsmöglichkeit des Menschen einschränkt. Realistisch in ihrer Darstellung, lassen die Zeichnungen kein Tabu aus und stellen die gesellschaftliche Bigotterie und Perversion an den Pranger. Durch die Kombination von Schreiben und Zeichnen eröffnet sich in dieser Umbruchszeit eine neue Perspektive für Brus.
Mit der Ausstellung Ein irrer Wisch nimmt das BRUSEUM erstmals den Übergang vom Aktionskünstler zum Bild-Dichter in den Fokus und zeigt, wie Brus die körperorientierte, autoaggressive Motivwelt seiner Aktionen in sein zeichnerisches Werk transferiert. Vor rund 50 Jahren entstanden, haben die Zeichnungen nichts von ihrer provozierenden Kraft verloren, passen aber perfekt in unsere Zeit eines aufziehenden Neo-Biedermeier, hinter dessen Fassade des Anstands und der politischen Korrektheit Sexismus und Menschenverachtung wieder prächtig gedeihen.
Kuratiert von Roman Grabner
Eröffnung: 8. Mai 2024, 19 Uhr
Zusatzinformationen
Der Ausstellungsbesuch ist aufgrund von sensiblen Inhalten erst ab einem Alter von 18 Jahren gestattet.
Bitte beachten Sie: Diese Ausstellung enthält explizite künstlerische Darstellungen, die zum Nachdenken anregen und Diskussionen fördern sollen. Unter Umständen können diese bei manchen Besucher:innen emotionale Reaktionen hervorrufen.