In seinem 10. Jubiläumsjahr präsentiert das DomQuartier Salzburg in der Residenzgalerie den ersten Gastauftritt des Kunsthistorischen Museums in Salzburg.

Die umfassende Schau erzählt unter dem Titel »Die Farben der Serenissima. Venezianische Meisterwerke von Tizian bis Canaletto« die fulminante Erfolgsgeschichte der Malerei der Renaissance in Venedig. Es geht um die Verwendung kostbarer Farben, um eine neuartige, lockere Malweise, aber auch um erstaunliche Kontinuitäten von typischen Motiven. Die Werke venezianischer Meister:innen fanden noch Jahrhunderte später Nachhall in der europäischen Malerei und Sammlungskultur. Die Geschichte der ehemals kaiserlichen Sammlungen ist der beste Beleg dafür. Diese Qualitäten verkörpern herausragende Werke von Tizian über Tintoretto und Veronese bis Canaletto. In der Zusammenschau mit einzelnen Beispielen anderer Kunstgattungen entsteht ein facettenreiches Bild der venezianischen Kunstproduktion, wie es abseits der traditionellen Sammlungsstrukturen des Kunsthistorischen Museums nur in einer Sonderausstellung möglich ist.

»Die Farben der Serenissima« ist die erste Ausstellung unter der Leitung der neuen Direktorin des DomQuartiers Dr. Andrea Stockhammer.- Kuratorin Çiğdem Özel MA

Venezianische Kunst von der Renaissance bis zum Rokoko und ihre Besonderheiten

Die Farben der Serenissima spielt mit einer gewissen Doppeldeutigkeit. Der Ausstellungstitel bezieht sich dabei zum einen auf die besondere Farbgebung in der Malerei, zum anderen tatsächlich auf die Farben Venedigs, so wie es sich dem Besucher in seinen Lichtstimmungen und in der Opulenz seiner Luxusgüter präsentiert. Die umfassend angelegte Schau thematisiert verschiedene Aspekte der Lagunenstadt: Porträts eleganter Venezianerinnen und Venezianer spiegeln das Selbstverständnis einer erfolgreichen Handelsmacht, stimmungsvolle Landschaftsmalerei lädt zur Kontemplation ein. Neue Bildtypen in der religiösen Malerei holen die Heiligen und biblischen Gestalten ganz in die Nähe des Betrachters und sprechen ihn auf höchst emotionale Weise an.

Nachhaltiger Erfolg bis ins 18. Jahrhundert

Der Erfolg der venezianischen Renaissance zählt zu den nachhaltigsten in der europäischen Kunst. In Venedig hatte sich eine wohlhabende Bevölkerungsschicht herausgebildet, die ihren Reichtum und sozialen Status mit Kunstwerken zur Schau stellte. Mit diesen günstigen Bedingungen zog die Serenissima ‒ wie Venedig auch genannt wurde ‒ zahlreiche Künstler:innen aus dem Umland an. Die Malweise Tizians und seiner Künstlerkolleg:innen prägte bald auch außerhalb Venedigs die Vorstellung von venezianischer Malerei. Bis ins 18. Jahrhundert inspirierten sich Künstler:innen am colorito alla veneziana und eiferten Kunstsammlerinnen und -sammler danach, Gemälde aus dem Venedig des 16. Jahrhunderts zu besitzen, um en vogue zu sein.

Die Basis für den Erfolg: Venedigs Reichtum und Aufstieg zur Handelsmetropole im Mittelmeerraum

Bis ins 16. Jahrhundert war Venedig eine der bedeutendsten Handelsstädte. Paläste und Kunstschätze zeugen noch heute vom einstigen Reichtum der Lagunenstadt. Seit dem Mittelalter war die von einem Dogen regierte Stadt in den östlichen Mittelmeerraum expandiert. An ihrem Hafen kamen zahlreiche Luxusgüter an. Seide, Teppiche oder besondere Farbpigmente zählten zu den kostbaren Importwaren, die neben edlen Textilien, Glasgefäßen und gedruckten Büchern wieder in den Norden verkauft wurden. Mit der Expansion der Osmanen verlor Venedig jedoch zunehmend seine Territorien im Mittelmeer. Allerdings konnte Venedig seine Territorien in den Kriegen des 16. Jahrhunderts verteidigen und die venezianische Oberschicht wandte sich mehr dem Festland, der Terraferma, zu. Diese Entwicklungen wirkten sich unmittelbar auf die venezianische Kunst aus ‒ sei es in der Landschaftsmalerei oder etwa in den Porträts der Venezianer:innen mit ihren eleganten Kleidern.

Die Stadt in der Lagune

Wer einst nach Venedig reiste, bestieg vom Festland aus eine Postbarke. Schon aus der Ferne erblickten Neuankommende den Markusturm, und allmählich bot sich ihnen ein einzigartiger Anblick dieser außergewöhnlichen Stadt dar, die aus unzähligen Wasserkanälen und Brücken zu bestehen schien. Der Zugang zum Meer war für Venedigs Selbstverständnis so grundlegend, dass der Doge sich jedes Jahr in einem öffentlichen Zeremoniell symbolisch mit dem Meer vermählte, um Venedigs Vormachtstellung in der Adria zu bekräftigen.

Mythologische Wesen, die die See mit Dreizack oder Horn beherrschten, bildeten in Venedig bevorzugte Themen für kleinformatige Bronzen ‒ der Lage in der Lagune entsprechend. Die beliebte Darstellung des Meeresgottes Neptun schmückte etwa die Eingangstore der Paläste. Ansichten von Canaletto oder Giandomenico Tiepolo wiederum schildern uns typische Szenen aus dem Alltag der Serenissima.

Grüne Welten

Ab 1500 führten venezianische Künstler bahnbrechende Neuerungen in der Landschaftsmalerei ein. Ihre Werke suggerieren besondere Lichtstimmungen, ziehen den Blick der Betrachter:innen in ihren Bann und lassen ihn in die Ferne schweifen. Die Landschaft war dabei nicht bloß Hintergrund, sondern unentbehrlicher Teil der Bilderzählung.

Antike und zeitgenössische Dichter wie Vergil oder Jacopo Sannazaro entwarfen Visionen eines von Hirten bevölkerten Arkadiens, die Künstler in idyllischen Gemälden aufgriffen. In religiösen Werken regten solche Landschaften zur meditativen Kontemplation an und stimmten auf die fromme Andacht ein. Der aus Verona stammende Maler Paolo Veronese malte zwar vor allem Hintergründe mit klassischer Architektur, aber in seinem Spätwerk stellte er eine Wildnis in saftigen Grüntönen dar, in der er die Figuren der unwirtlichen Natur unterordnete. Jacopo Bassano vereinte wiederum mit großem Erfolg religiöse Themen und Szenen mit Bauern vor wiedererkennbaren Berglandschaften des Festlands von Venedig.

Himmlische Sinneslust

Dank bedeutender Verleger wie Aldus Manutius entwickelte sich Venedig im 16. Jahrhundert zu einem Zentrum des Buchdrucks. Antike Schriften verbreiteten sich rasch, und humanistisch gebildete Sammler:innen gaben zunehmend Werke mit mythologischen Themen in Auftrag, die sie aufgrund ihrer Sinnlichkeit rund um Liebschaften der Göttinnen und Götter schätzten. Gelehrte und Künstler:innen führten etwa in luxuriösen Innenräumen vor kleinformatigen Bronzen antiker Figuren kultivierte Gespräche.

Vor diesem Hintergrund schuf Tizian, ausgehend von den Metamorphosen des Ovid, sensationelle Bilder, die von seinem Erfindungsreichtum zeugen. Der unmittelbare Erfolg schlug sich in zahlreichen Varianten nieder, die er in Zusammenarbeit mit seiner Werkstatt ausführte. Auch Andrea Schiavone nahm in seinem Gemälde Diana und Actaeon sowohl ein Werk als auch die Malweise Tizians zum Vorbild, und Giulio Carpioni bezog sich noch hundert Jahre später auf ein bedeutendes Frühwerk des Meisters.

Makellosigkeit im weiblichen Porträt

Die weiblichen Bildnisse der venezianischen Maler:innen zeigten meist ideal-schöne Frauen. Das Schönheitsideal der italienischen Renaissance gab blonden Haaren, sowie einem sehr hellen, rosigen Teint den Vorzug. Die gepflegte äußere Erscheinung gemäß diesen Normen sollte Patrizierinnen und Bürgerinnen zu einer vorteilhaften Ehe und Kurtisanen zu vermögender Kundschaft verhelfen.

Mit Schmuck und eleganten Kleidern aus kostbaren Stoffen stellten die Frauen in den Porträts den Reichtum ihrer Familien und damit auch den Venedigs zur Schau. Die Darstellung von glänzendem Haar und makelloser Haut galt für die Maler:innen als besondere koloristische Herausforderung. Beides bedurfte auch intensiver Pflege durch die Frauen selbst. Sie verwendeten hierzu Salben mit aus heutiger Sicht teils zweifelhaften Inhaltsstoffen (zum Beispiel Bleiweiß) und Utensilien (etwa lange Haarnadeln), die sie in prachtvollen Kassetten aufbewahrten.

Eleganz im männlichen Porträt

Noble Familien in Venedig ließen sich im portego, dem repräsentativen Empfangsraum ihrer Paläste, von den bedeutendsten Maler:innen inszenieren. Venezianische Patrizier legten einerseits Wert darauf, als solche wiedererkannt zu werden, andererseits betonten sie unter sich gerne ihre vordergründige Ebenbürtigkeit. Sie trugen daher eine scheinbar schlichte, schwarze Robe, die jedoch in der Qualität des Stoffes oder im Schnitt feine Unterschiede erkennen ließ. Die dunkle Kleidung zeugte vom raffinierten Geschmack ihrer Träger, während rote Stoffe einen hohen Status signalisierten und nur wenigen vorbehalten waren.

Tizian und Tintoretto revolutionierten die Porträtmalerei, indem sie nicht nur die äußere Erscheinung ihrer Auftraggeber einfingen, sondern ihnen zugleich modische Raffinesse und Würde verliehen. Hierfür war eine lässige Pose ebenso wesentlich wie die Wiedergabe vornehmer Kleidung.

Mit Gefühl und Überzeugung

Trotz der steigenden Beliebtheit mythologischer Darstellungen bildeten religiöse Motive die überwiegende Mehrheit der Bildthemen. Der Sieg gegen die Osmanen in der Schlacht von Lepanto 1571 beförderte die Frömmigkeit der Venezianer:innen zusätzlich, die sich in ihrer Lebensführung bestätigt sahen. Im Zuge der Gegenreformation hatte das Konzil von Trient die Bedeutung religiöser Gemälde für die Belehrung von Leseunkundigen bestätigt.

Wichtigstes Mittel hierfür war die emotionale Rührung der Gläubigen durch die abgebildete Handlung. Dramatische Gefühle in Gemälden, die die Leiden Christi vorstellten, zählten für Künstler genauso zum Repertoire wie farbenprächtige Kleidung bei einer Anbetung der Könige ‒ ganz im Sinne der erlesenen Mode in Venedig. Neben reichen Erzählungen schufen Maler Darstellungen von einzelnen Aposteln oder Heiligen, die die Betrachter nahe ans Bild heranholen, zum Mitfühlen auffordern und sie somit vom rechten Glauben überzeugen sollen.

Dramatische Momente und innere Reflexion

Giorgione war ein Meister darin, faszinierende Bilder zu schaffen, in denen raffinierte Kontraste die Erzählung bestimmten. Die Gelassenheit des Kriegers, der den aus der Dunkelheit hervortretenden Mann vor sich nicht zu beachten scheint, steht so im Gegensatz zu den Details, die eine potenzielle Konfrontation vermitteln ‒ wie etwa die Hand des Mannes auf dem Arm des Gerüsteten.

Angeregt durch solche Werke führten venezianische Maler spannungsgeladene Bilder aus, indem sie Handlungen mit lebensgroßen Halbfiguren in engen Bildausschnitten inszenierten. Diese eindrucksvollen Gemälde zeigen dramatische Momente, ergründen jedoch gleichzeitig die Psyche ihrer Protagonist:innen. Salome und Judith wirken trotz ihres Triumphes melancholisch, die Krieger in sich gekehrt oder in konzentrierter Anspannung. Bei Sammler:innen erfreuten sich solche Motive äußerster Popularität, wie Pietro della Vecchias über hundert Jahre nach Giorgiones Bild entstandener Krieger veranschaulicht.

Wohlklang und Harmonie

Das Musizieren war in Venedig eine der wenigen Tätigkeiten, die Frauen und Männer aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten gleichermaßen ausübten. Viele Haushalte besaßen mehrere Instrumente, und zu ihnen zählte meist eine Laute. Die Maler Giorgione, Paris Bordone, Tintoretto und seine Tochter Marietta galten selbst als begabte Musiker:innen. Umgekehrt verkehrten Musiker:innen regelmäßig mit Künstler:innen, Schriftsteller:innen und Gelehrten, wodurch der Wettstreit zwischen Musik und Kunst Impulse erhielt.

Die gegenseitige Wertschätzung äußerte sich darin, dass Maler:innen ihre musikalischen Kolleg:innen erstmals zum zentralen Sujet der Malerei erhoben. In solchen Bildnissen verwendeten sie ‒ wie hier Bernardo Strozzi ‒ harmonische Farbakkorde oder ließen ‒ wie etwa Capriolo ‒ die Musiker:innen nicht nur in der Musik, sondern auch in der Liebe nach dem richtigen Ton suchen.

Colorito alla veneziana

Venedig war eines der bedeutendsten europäischen Zentren des Farbenhandels, auch Auftraggeber:innen und Künstler:innen aus dem Ausland bestellten hier ihre kostbaren Farben. In der Serenissima fanden Pigmente nicht nur in der Malerei Verwendung, auch die Glasbläser von Murano nutzten das reichhaltige Angebot für ihre Produkte. Sie fertigten raffinierte Werke wie den Puchheimpokal, die aufgrund ihrer Lichtdurchlässigkeit und -brechungen ihre Betrachter:innen erfreuten.

Inspiriert von den Lichtstimmungen in Venedig, schufen Maler wie Domenico Fetti farbintensive Bilder, in denen das warme Licht einer Dämmerung die Farbgebung bestimmte. Tizian galt schon zu Lebzeiten als Vorreiter für einen virtuosen, locker-pastosen Auftrag, und Jacopo Bassano reüssierte in seinen Nachtstücken mit aufglühenden und dick aufgetragenen Farben. Ihren Umgang mit Farbe bezeichnete der Kunsttheoretiker Marco Boschini im 17. Jahrhundert als colorito alla veneziana.

Triumph in Licht und Farbe

Im 18. Jahrhundert wendeten sich Künstler:innen einem neuen, von Licht durchfluteten Kolorit zu und gaben dadurch der Malerei neue Impulse. Sebastiano Ricci griff hierfür auf die nach wie vor bewunderte Kunst der Renaissance zurück. Die Werke Veroneses regten ihn zu einer klaren Brillanz der Farben und einer zeitlosen Eleganz der Figuren an.

Riccis triumphaler Erfolg ließ ihn zum Wegbereiter des venezianischen Rokokos werden. Auch außerhalb der Serenissima waren er und seine Nachfolger:innen gefragte Maler:innen, sodass sie bald Aufträge aus ganz Europa ‒ von Madrid bis St. Petersburg ‒ annahmen. Bereits eine Generation später schlug Francesco Guardi einen anderen künstlerischen Weg ein: In seinen Lagunenbildern fing er das helle Licht, das wechselhafte Wetter und die Bewegung der Figuren mit mal flüssigem, mal pastosem Farbauftrag ein und sollte damit noch lange in der Malerei des 19. Jahrhunderts nachwirken.

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