Der multimedial tätige libanesische Künstler und Regisseur Ali Cherri setzt in seinen Filmen, Installationen, Zeichnungen und Skulpturen die politischen Verhältnisse seiner Kindheit in Beirut während des mehr als ein Jahrzehnt andauernden libanesischen Bürgerkriegs in Bezug zu historischen Momenten, die durch (archäologische) Artefakte repräsentiert werden. Seine Werke zeugen von einem nuancierten Erkunden der menschlichen Existenz; sie oszillieren zwischen dem Persönlichen und dem Universellen, der Vergangenheit und der Gegenwart und beschäftigen sich vor allem damit, wie sich politische Konflikte und soziale Umbrüche auf Individuen wie Gemeinschaften auswirken. Cherris Filme geben nicht nur tiefe Einblicke in kulturelle und geopolitische Realitäten, sein feines Gespür für visuelles Storytelling sowie fundierte Recherchen lassen sie zu eindrucksvollen Erlebnissen werden und regen zum Nachdenken an.

Of Men and Gods and Mud (2022) hat Cherri beispielsweise im Sudan am Merowe-Staudamm am Nil gedreht. Der Film beobachtet eine Gruppe von Ziegelbrennern wie sie aus lehmhaltigem Schlamm dieses so grundlegende Baumaterial herstellen. In den frühen 2000er-Jahren führte der Bau des größten Wasserkraftwerks Afrikas zwangsläufig zur Vertreibung von über 50.000 Menschen, damit gingen auch soziale Unruhen, die Zerstörung von Ökosystemen und die Überflutung von Kulturstätten einher. In Cherris Videoinstallation ragt das gigantische Kraftwerk bedrohlich über Szenen der mühseligen manuellen Arbeit der Ziegelbrenner, und es entfaltet sich eine allegorische Geschichte, die Land und Wasser, Dürre und Flut, Zerstörung und Schöpfung miteinander verbindet. Für diese Dreikanal-Videoinstallation wurde Cherri 2022 mit dem Silbernen Löwen der Biennale von Venedig ausgezeichnet.

In seinen Arbeiten beschäftigt sich der Künstler auch mit der Rolle, die historische Objekte bei der Konstruktion nationaler Narrative spielen. Er geht dabei Fundstücken und der Transformation ihrer Bedeutung nach – vom Fund eines Objekts bis zu seinem Auftauchen auf dem Kunstmarkt oder der Präsentation in einem Museum. Cherri untersucht die historischen, sozialen, natürlichen wie kulturellen Eigenschaften der Artefakte und was diese über uns aussagen. Er zeigt aber auch die Kraft, die sie in Fetische, Idole, Totems oder Handelswaren verwandelt, und wie sie in der Folge ein neues Narrativ verkörpern. In seiner künstlerischen Praxis stellt Cherri immer wieder Fragen wie: Wie sollen wir in dieser Welt leben? Wie können wir aufgeschlossener und offener gegenüber anderen Lebewesen werden? Würde es unsere Einschätzung sozialer und politischer Ereignisse verändern, wenn wir der Macht der Dinge mehr Aufmerksamkeit schenkten?

Ali Cherri geboren 1976 im Libanon, lebt in Paris.

Kuratiert von Jeanette Pacher

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