Der menschliche Körper ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Wahrnehmungs- und Ausdrucksmedium neu erkundet worden.

Die Ausstellung »Die Geste spricht« gibt Einblicke in die damals neuen Modelle der Körperbildung und Tanzavantgarde. Und sie macht deutlich, wie das Bauhaus sie programmatisch als Entwürfe für eine auf Körper, Raum und Gestik basierenden ganzheitlichen Kunst und Lebensgestaltung aufgegriffen hat.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren die Hoffnungen groß, in Gymnastik und Tanz eine Sprache des Körpers zu entdecken, mit der sich ein neues, modernes Leben entwerfen lässt. Neue Ansätze einer harmonischen, rhythmischen oder künstlerischen Gymnastik versprachen, den ganzen Menschen neu zu bilden – jenseits bloßer Körperertüchtigung und auf der Basis von weitreichenden körperphilosophischen und zivilisationstheoretischer Grundannahmen. Vor allem in den Jahren der Weimarer Republik entstanden vielfältige Schulen, Bünde und Versuchsgemeinschaften, die nichts Geringeres anstrebten, als das gesamte Leben umzugestalten, und zwar vom Körper aus. Die Menschen sollten ein neues Verhältnis zu ihrem Körper entwickeln, indem dieser von »unnatürlichen« Hemmungen oder Konventionen befreit und als Quelle individueller und gemeinschaftlicher Vitalität neu entdeckt wurde. Dabei entwickelte sich facettenreich und widersprüchlich eine »Körperkulturbewegung«, die zum einen durch Naturromantik und Zivilisationsmüdigkeit und zum anderen durch sozialistische und nationalistische Ideen geprägt worden ist. In ihr waren auch die Bühnen- und Körpererkundungsexperimente am Bauhaus verankert.

Die Ausstellung »Die Geste spricht« zeigt diese Verankerung erstmals auf. Sie stellt exemplarische Projekte von zum Teil wenig bekannten Gymnastik- und Tanz-Avantgardist:innen wie Hade Kallmeyer, Dore Jacobs oder Jenny Gertz, aber auch Émile Jaques-Dalcroze, Mary Wigman, Kurt Jooss oder Rudolf Laban vor und kontextualisiert dabei auf neue Weise die Körperexperimente am Bauhaus, die Gertrud Grunow, Kurt Kranz sowie Oskar Schlemmer mit Manda von Kreibig, Karla Grosch und anderen Mitwirkenden der Bühnenwerkstatt betrieben. Historische Fotografien und Drucksachen sowie dokumentarische Kurzfilme von Niels Bolbrinker geben einen Einblick in die Komplexität und Vielschichtigkeit dieser Neuerkundungen des menschlichen Körpers in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Parallel dazu knüpfen die zeitgenössischen Künstler:innen Christina Werner (Rhythm is a dancer) und Clément Cogitore (Bodies in Sync) sowie Gerburg Fuchs mit ihren öffentlich zugänglichen Bewegungsworkshops an avantgardistische Versuche der 1920er Jahre an und aktualisieren diese in und mit ihren Arbeiten.

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