Adrian Ghenie ehrt Egon Schiele, einen der bedeutendsten Künstler des Expressionismus, mit einer revolutionären Ausstellung. Diese, basierend auf der Idee und dem Konzept von Ciprian Adrian Barsan, bringt Schieles verlorene Werke – bekannt nur durch Schwarz-Weiß-Fotografien – durch Adrian Ghenies eindringliche künstlerische Fähigkeit zurück ins Sein.
Der rumänische Künstler Adrian Ghenie nimmt Schieles verschollene Werke zum Anlass um sich mit eigens für diese Ausstellung geschaffenen Werken auf eine ebenso eindrucksvolle wie einzigartige Spurensuche zu begeben:
»Schiele war natürlich Teil meines geistigen Archivs, nicht hinsichtlich des Stils, sondern hinsichtlich der Haltung. Gemeinsam mit Schiele teile ich das Interesse an der Verformung und Dehnung der menschlichen Form und das spielerische Experimentieren damit. Die Verformung war eine Lösung für die Darstellung, aber auch ein Ausdruck der Freiheit, die mit der Moderne kam. Sobald man die traditionellen Zwänge der Anatomie hinter sich lässt, kann die Art und Weise, wie man verformt, auf einer tieferen Ebene zu einem Porträt des Charakters oder der inneren Psyche werden. Dieses Spiel mit der menschlichen Form markierte den Beginn von etwas Neuem.« (Adrian Ghenie)
Unsterbliche Energie aus verlorenen Werken
Rund ein Viertel von Schieles Gemälden bleibt bis heute unauffindbar oder wurde, meist vor dem Zweiten Weltkrieg, verloren bzw. zerstört. Die genauen Umstände ihres Verschwindens sind bis heute ein Mysterium. Diese verlorenen Bilder, die große Themen wie Tod, Sexualität, Selbstreflexion, Suche nach Identität, Verzerrung, Melancholie und Glauben umfassen, existieren heute nur noch als schattenhafte Fotografien.
Ghenie nimmt die herausfordernde Aufgabe an, die Werke aus den Schatten nicht nur wiederauferstehen zu lassen, sondern sie auch physisch neu zu verkörpern und zu beleben. Es geht darum, nicht Schieles Schatten physisch zu replizieren, sondern ihrem tieferen Wesen einen neuen unmöglichen Körper zu bieten.
Das Projekt ›Schattenbilder‹ nimmt die Zuschauer mit auf eine metaphysische Reise durch Zerfall und Neuschöpfung. Diese als »Schattenbilder« bezeichneten Werke symbolisieren die dunkle Nacht der Seele, in der sich das Individuum mit seinem inneren Schatten konfrontiert sieht – ein Prozess, der durch Begriffe wie Nigredo, Tenebrosität, und Melancholie geprägt ist.
Adrian Ghenie verleiht diesen Schattenbildern durch seine Dekonstruktionsmethode eine neue Dimension, die weit über die bloße Form hinausgeht. Er transformiert sie in lebendige Manifestationen des Farbspektrums, wobei er die Grenzen zwischen Realität und Abstraktion verschwimmen lässt. Er strebt dabei nicht nach einer spirituellen Berufung, sondern nach einem Zustand energetischer Euphorie. Ghenie schafft ›den unmöglichen Körper‹ ohne Anatomie – eine Neuerfindung des Nichts.
Der Schwerpunkt dieses neuen Werkszyklus liegt auf dem menschlichen Körper und der Existenz. Er bietet Raum für Interpretationen, die über das Physische hinausgehen und in das Transzendente eintauchen. In diesem Prozess entsteht eine tiefere Reflexion über die Natur der Wahrnehmung und die Art und Weise, wie wir Realität konstruieren und dekonstruieren. Schiele selbst nutzte den menschlichen Körper als Medium, um tiefe emotionale und psychologische Zustände zu vermitteln und Fragen über menschliche Existenz, Sexualität, Tod und Spiritualität aufzuwerfen.
Mit Ciprian Adrian Barsan wurde bereits die erfolgreiche Ausstellung zu Niko Pirosmani in der ALBERTINA realisiert. Unterstützt wird die Ausstellung von der Infinitart Foundation.
Kuratoren: Klaus Albrecht Schröder, Ciprian Adrian Barsan (C.A.B.)