Kaum eine Pflanze ist so umstritten wie die Kokapflanze. In der westlichen Welt wird sie hauptsächlich mit dem Rauschmittel Kokain in Verbindung gebracht, das erstmals im Europa des 19. Jahrhunderts hergestellt wurde und ein gewaltvolles System des Drogenhandels und -missbrauchs hervorgebracht hat. Dass die Pflanze durch ihre heilende und stimulierende Wirkung eine kulturelle und spirituelle Bedeutung für die indigene Bevölkerung der Andenregion hat, verweist auf eine Leerstelle in der Geschichtsschreibung, die nicht zuletzt auf die westliche Wissenshegemonie zurückzuführen ist. Seit 2018 beschäftigt sich die kolumbianische Filmemacherin Laura Huertas Millán in ihren Arbeiten mit der Kokapflanze.

Die Ausstellung Curanderxs (span. Heiler:innen) präsentiert neben der gleichnamigen Multikanal-Projektion, die im Rahmen des After Nature . Ulrike Crespo Photography Prize 24 neu produziert wurde, zwei weitere Videoinstallationen der Künstlerin. Ausgehend von dem erstmaligen Verbot der Pflanze im Zuge der spanischen Kolonisierung Lateinamerikas entwickelt Huertas Millán in ihrer neuen Arbeit ein spekulatives Narrativ, in dessen Zentrum eine Gruppe weiblich gelesener Personen steht, die im 17. Jahrhundert heimlich Kokablätter verteilten. Als Reaktion auf die wenigen erhaltenen Quellen nutzt die Künstlerin die Fiktion als Strategie und imaginiert eine fragmentarische Erzählung über die koloniale Vereinnahmung der Natur. In einer Ästhetik, die als Verweis auf die Stille der Archive an den frühen Stummfilm angelehnt ist, treten aus den dunklen Tiefen der Untergrundlandschaften mutige Akteur:innen hervor, indem sie versklavte indigene Arbeiter durch die heimliche Verteilung von Kokablättern unterstützten.

In El Laberinto (2018) kombiniert Huertas Millán Found Footage mit eigenem 16-mm-Material aus Kolumbien. Der Film folgt den labyrinthischen Erinnerungen von Cristobal Gómez Abel, der in den 1980er Jahren für die Drogenbarone im kolumbianischen Amazonasgebiet arbeitete. Dieser führt durch den Wald und die Ruinen einer Narco-Villa, die der amerikanischen Seifenoper Der Denver-Clan aus den 1980er Jahren nachempfunden ist. Durch ihre Bildsprache erzeugt Huertas Millán einen immersiven Raum, der Themen wie Trauma, Erlösung und die Suche nach Identität behandelt.

Schließlich blickt die 2-Kanal-Installation Para la Coca (2024) auf die gegenwärtige rituelle Nutzung der Kokapflanze in der indigenen Community in Kolumbien – jenseits kolonialer Einschreibungen und Kriminalisierung. Abermals gemeinsam mit Cristobal Gómez Abel erarbeitet, erzählt der Film von einem Mythos der Murui, in dem die Kokapflanze als Gottheit in der Gestalt eines Mädchens dargestellt wird, das seine Gemeinschaft über den ethischen Gebrauch der Pflanze belehrt. Der Film unterstreicht die Bedeutung, diese kulturellen Praktiken zu respektieren und zu bewahren. Mit Curanderxs zeigt C/O Berlin die erste monografische Ausstellung von Laura Huertas Millán in Deutschland und versammelt zudem ihre aktuellsten Arbeiten über die Kokapflanze in einer gemeinsamen Präsentation. 

Die Doppelausstellung der beiden Preisträger:innen Laura Huertas Millán und Sarker Protick wird von Katharina Täschner, Junior-Kuratorin bei C/O Berlin, kuratiert. Es erscheint eine begleitende Publikation bei Hartmann Books.

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