Überreste sind Schatzkammern. Reste der Vergangenheit, die einen Hinweis darauf geben, wie sich unsere Zukunft entwickeln könnte, und die die Bedeutung beeinflussen, die wir ihnen beimessen. Indem er Reste von Kaffeetassen malt, unterstreicht Nejat A., dass seine Praxis des Wahrsagens sowohl Glück als auch Reichtum bedeutet. Im Gegensatz zu anderen populären Formen der Vorhersage, die ein kunstvolles Kartenspiel oder eine Kristallkugel erfordern, ist das Kaffeelesen gerade deshalb mystisch, weil es alltäglich ist; einzigartig, weil es eine offensichtliche Selbstverständlichkeit ist. Das Kaffeelesen ist mehr als ein bloßes Vergnügen für die Gäste, es ist abstrakte Kunst in ihrem reinsten Sinne. Unzusammenhängende Formen kulminieren hier zu Mustern, die eine Bedeutung darüber haben, wie, was und wer wir werden und wie es um unsere Umgebung bestellt ist. Aber mehr noch, das Kaffeelesen begünstigt eine Idee von Kunst, die uns manchmal verloren geht. Dass das Schaffen von Bedeutung eine unvermeidliche Praxis für alle ist und nicht das Recht einiger weniger. Das Glück ist selbst an den kleinsten Orten zu finden, ob wir es nun wahrhaben wollen oder nicht.
Es liegt eine gewisse Anmut darin, wie Nejat A. eine ganze Welt in einem Kaffeekorn sieht – indem er aus einer vergangenen Handlung ein Gefühl für die Zukunft gewinnt und dadurch lineare Zeitvorstellungen in Frage stellt. Vielleicht sind seine Gemälde auf diese Weise, dass sie etwas Winziges größer machen als ihre Gesamtsumme, spiralförmig. Sie sehen eher aus wie astrologische Konstellationen als wie etwas, das man aus dem Regal nimmt. Die Becher sind hier unvermeidliche Gravitationspole, in die der Rest des Hintergrunds hineinfällt. Hier sind die Oberflächen so geformt, dass sie die Bedeutung dessen, was vorausgesagt wird, nachahmen. Da das Kaffeetrinken keiner Anleitung bedarf, ist es irgendwie vorherbestimmt, und die Verantwortung für seine Lektüre wird geteilt. Dies ist der Fall, wenn die Kaffeetasse auf einem Tisch steht oder auf eine Ausstellungswand gemalt ist. In seinen Kunstwerken fordert Nejat A. uns auf, genau diese Verantwortung zu teilen. Indem wir die Bedeutung seiner Bilder erschaffen und bewerten, werden wir zu dem, was er uns zugedacht hat. Wir durchbrechen die akzeptierten Grenzen und werden nun sowohl zum Leser als auch zum Gelesenen.
Text von Ido Nahari