Sonnenaufgänge, Seerosen, Licht- und Schatteneffekte: Fast jeder hat eine Vorstellung davon, was ein impressionistisches Bild ausmacht. Doch woran die meisten nicht denken, sind Werke der Druckgraphik – kann es in diesem Medium überhaupt impressionistische Kunst geben? In Schwarzweiß, in Auflage und mit den technischen Herausforderungen, welche die für den Impressionismus so charakteristische Spontanität doch scheinbar unmöglich machen? Das Berliner Kupferstichkabinett zeigt in seiner Ausstellung größtenteils noch nie oder selten gezeigten Schätze des »anderen« Impressionismus – mit 110 Werken von 40 Künstler*innen, darunter Édouard Manet, Auguste Renoir, James Whistler oder Lesser Ury.

In neuen oder wiederentdeckten Techniken brachte der »andere« Impressionismus atmosphärische Stimmungen zu Papier: Impressionen von Schatten, Dampf und Smog, Dunst und Regen, Nacht und elektrischem Licht. Als Originalgraphiken hatten sie den Zauber und die Dynamik von Handzeichnungen und galten darum als Inbegriff künstlerischer Individualität. Teilweise entstanden sie direkt vor der Natur.

Ab Mitte der 1850er-Jahre trafen sich Künstler wie Camille Corot oder Charles-François Daubigny im Wald von Fontainebleau. Sie experimentierten mit der protofotografischen Technik des Cliché-Verre und nutzten dabei die Sonne selbst zur Belichtung ihrer handgezeichneten Glasplattennegative. Seit 1862 orientierten sich Maler wie Édouard Manet, Johann Barthold Jongkind oder Francis Seymour Haden an Rembrandts Malerradierungen und ließen sich davon zu eignen Werken inspirieren. Manche, wie Camille Pissarro, Edgar Degas oder später auch der Niederländer Charles Storm van’s Gravesande, überarbeiteten ihre Druckplatte nach jedem Druckvorgang neu. So entstanden »Zustandsdrucke«, also neue Originale innerhalb einer Serie. Seit den 1880er-Jahren waren Lithographen wie Paul Signac oder Eugène Carrière von Schatten, von Immateriellem, fasziniert und schufen malerische und geheimnisvoll anmutende Impressionen.

1881 erstmals moderne Druckgraphik in Berliner Museen

Gedruckt oder belichtet, schwarzweiß oder in Farbe: Die neuen Druckgraphiken bahnten dem Impressionismus den Weg ins Museum. 1881 war mit einer Ausstellung von »Maler-Radierungen französischer und englischer Künstler der Neuzeit« diese internationale Kunst erstmals in die Berliner Museen geholt worden: Die unglaubliche Menge von 740 Druckgraphiken wurde damals präsentiert – allesamt Leihgaben –, darunter einige, die auch jetzt in der Ausstellung zu sehen sind, wie etwa Meisterwerke von Édouard Manet, Charles-François Daubigny, Camille Corot, Francis Seymour Haden und James McNeill Whistler.

Das war eine Revolution des Sehens, ein Coup, denn die Kunst des Impressionismus galt zu dieser Zeit noch keineswegs als museumswürdig. Mit dieser Ausstellung wurde das Publikum für die Moderne begeistert, die zeitgenössischen Künstler:innen in Deutschland erhielten neue, internationale Impulse und am Berliner Kupferstichkabinett nahm mit der modernen Druckgraphik ein neuer Sammlungsschwerpunkt seinen Anfang. Das Museum konnte damals die rund 300 geliehenen englischen Malerradierungen direkt aus der Ausstellung ankaufen; bei den französischen Werken bestand diese Möglichkeit nicht, so dass in der Folge der Kunstmarkt gezielt beobachtet wurde, auf der Suche nach anderen Abzügen dieser Blätter.

In der Ausstellung vertretene Künstler:innen

Das Berliner Kupferstichkabinett präsentiert seine Auswahl dieses »anderen«, druckgraphischen Impressionismus und zeigt selten gezeigte Werke berühmter Künstler:innen, die schon 1881 zu sehen waren, aber auch Neuentdeckungen von bislang noch völlig Unbekannten oder impressionistische Arbeiten, die erst nach 1881 geschaffen wurden: neben den bereits genannten u.a. Blätter von Alfred Sisley, Mary Cassatt, Berthe Morisot, Albert Besnard, Henri Fantin-Latour, Joseph Pennell, Anders Zorn, Frank Brangwyn, Anna Duensing, Lovis Corinth, Max Liebermann oder Max Slevogt.
 
Einzelne Radierungen von Rembrandt aus dem 17. Jahrhundert – dem größten Malerradierer impressionistischer Licht- und Schatteneffekte vor dem Impressionismus – sowie Fotografien des Piktorialismus begleiten die Auswahl und erweitern sie. Zwischen diesen beiden Polen – Rembrandt und der piktorialistischen Fotografie – lässt sich das breite Spektrum der impressionistischen Druckgraphik ausbreiten.

Die Welt impressionistisch zu sehen, war also nicht nur der Befund einer Stilepoche und es war auch nicht eine auf die Malerei beschränkte Methode. Es ist vielmehr eine bestimmte Art zu sehen. Im »anderen« Impressionismus wird diese Weltanschauung, diese Sehweise, beim Wort genommen.

Katalog zur Ausstellung

Zur Ausstellung ist ein Katalog im Michael Imhof Verlag erschienen (208 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen, ISBN 978-3-7319-1433-4, 29,95 Euro).

Kuratorin

Die Ausstellung wird kuratiert von Anna Marie Pfäfflin, Kuratorin für die Kunst des 19. Jahrhunderts am Kupferstichkabinett.

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