Die Arbeiten, die in der Gruppenausstellung jetzt und nie in der Halle für Kunst Lüneburg zusammengebracht werden, zeugen von einer besonderen Sensibilität für Konventionen der Erfahrung und Darstellung von Zeit. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werden in dominanten Mustern der Zeitwahrnehmung als Teil einer linearen, fortschreitenden Bewegung verstanden, die sich in der Wahrnehmung zu einem Kontinuum verfestigt. Obwohl sich vieles ständig ändert, scheint alles gleich. Dabei fällt der vermeintliche Stillstand zusammen mit der Geschwindigkeit erhöhter Produktivitätsanforderungen und der immer schnelleren Abfolge umfassender Krisen.
Die ausgestellten Arbeiten von Vera Palme, Klaudia Schifferle, Mania Godarzani-Bakthiari und Clara Hausmann verkomplizieren lineare, fortschrittsorientierte Zeitlichkeits-Modelle, spüren ihren Materialisierungen nach und untersuchen die formalen Konsequenzen ihrer Darstellung. Sie experimentieren mit Momenten der Langsamkeit, des Scheiterns, des Aufschubs und der Behäbigkeit, mit Brüchen und Verzögerungen, mit Ungleichzeitigkeiten und Widersprüchlichem.
Die künstlerischen Arbeiten reflektieren dabei, wie ihre eigene Entstehung durch zeitpolitische Maßnahmen und Techniken der Zeitmessung bedingt ist, sie interessieren sich für das Scheitern an Produktivitäts- und Geschwindigkeitsanforderungen, für’s Stottern und Stolpern, für Flüchtiges, Ephemeres und das Vergessen. Dabei werden in der Ausstellung Arbeiten unterschiedlicher Generationen von Künstlerinnen miteinander in Beziehung gesetzt und Möglichkeiten der Verbindung über verschiedene Zeiträume hinweg angedeutet.
Anders, als es die Zeitmodelle des linearen Fortschritts suggerieren, scheint hier auf, dass Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit zur Verhandlung stehen. Zwischen dem Gegebenen und dem Unmöglichen, zwischen jetzt und nie, flirrt ein offener Raum der Möglichkeiten. Uneingelöste Potentiale der Vergangenheit bleiben in der Zeit. In manchmal kleinen Gesten und gewöhnlichen Alltagspraktiken können sie von der Gegenwart aus eine andere Zukunft wahrnehmbar machen.
Text: Jojo Pistorius
Die Ausstellung ist kuratiert von Jojo Pistorius und Ann-Kathrin Eickhoff.