Birgitta Weimers bildhauerisches Œuvre bewegt sich im Spannungsfeld von Kunst und Wissenschaft. Eine klare, reduzierte Gestaltung verbindet sich darin mit Formschöpfungen, die im Dialog mit den Natur- und Geisteswissenschaften entstanden sind. Inhaltlich kreist das Schaffen der Künstlerin um Kernfragen des Daseins. Vor allem Erkenntnisse und Überlegungen aus dem Bereich der Biowissenschaften, aber auch aus Physik, Anthropologie und Philosophie, inspirieren sie zu plastischen Werken. Ökologische Themen klingen darin ebenso an wie poststrukturalistische Denkweisen.
Birgitta Weimers Arbeiten beeindrucken, weil in ihnen bildnerische Gegensätze mühelos interagieren: Geometrische Prägnanz und Strenge, wie man sie von der konkreten Kunst oder vom Minimalismus her kennt, verbinden sich mit amorphen Strukturen, die auf den ersten Blick ungeordnet oder chaotisch erscheinen. Harte, kantige Formen treffen auf weich, fließende; opake Elemente auf transparente oder spiegelnde.
Im Fall der Werkreihe Ressourcen (1996–2008) kombiniert die Bildhauerin die akkurate Form des Quadrats mit realer Natur, denn in den kleinen Bildblöcken sind jeweils Samen einer Sorte in Paraffin eingegossen. Zumeist arbeitet sie jedoch ausschließlich mit technischen Materialien wie Stahl, Silikon, Spiegel, Kunststoff oder Vinnylan-Schläuchen. Sie erschafft daraus Werke, die an elementare Naturformen oder an Bausteine des Lebens erinnern, zum Beispiel an Molekülstrukturen oder Blutbahnen. Manche sind von Geschöpfen des Meeres oder von pflanzlichen Strukturen inspiriert; andere präsentieren sich als netzwerkartige Geflechte, die sich auf Kreislaufsysteme oder Modelle der theoretischen Physik beziehen.
Themen wie Reflexion, Entfaltung und Wachstum beleuchtet Birgitta Weimer schließlich in ihren Mindscapes (2022/23). In den farbigen Objektkästen vereinen sich kleine Glaselemente auf einem Spiegelgrund zu wuchernden Strukturen, die die vielschichtige Welt der Bewusstseinsräume visualisieren. Diese Werke sind beispielhaft für die fortwährende Suche der Künstlerin nach Antworten in einer zunehmend komplexen Lebenswirklichkeit, in der alles mit allem verbunden ist.
Die Ausstellung gibt anhand von rund 30 Arbeiten einen exemplarischen Einblick in das faszinierende Werk von Birgitta Weimer.
Biografie
1956 geboren in Gemünden am Main
1976–79 Studium der Ethnologie und Anthropologie, Georg-August-Universität Göttingen
1980–86 Studium der freien Kunst, Hochschule für bildende Künste Hamburg
1986/87 Postgraduierten-Jahresstipendium des DAAD in Gambia
1992 Friedrich-Vordemberge-Stipendium der Stadt Köln
1996 Artist-in-Residence, Loughborough University (UK)
2000–02 Wohn- und Arbeitsort in Chicago
2023 Stipendium der Pollock-Krasner Foundation, New York
Die Künstlerin lebt und arbeitet in Gummersbach.