Mit dem Aufstieg der Seebäder im Wilhelminischen Kaiserreich, trat auch der »Bäder-Antisemitismus« auf den Plan. »Judenrein!« lautete die Parole, lange bevor der NS-Staat Wirklichkeit geworden war. Schon um 1900 bringen jüdische Zeitungen »Bäderlisten« heraus, anhand derer sie vor Bädern warnen, in denen jüdisches Publikum »unerwünscht“ ist. Als »Judenbäder« gelten umgekehrt Orte, wo zunächst noch eine liberale Atmosphäre herrscht.
In Anlehnung an das gleichnamige Buch von Kristine von Soden, das 2023 in einer erweiterten Neuausgabe erschienen ist, werden neben historischen Dokumenten und Ansichtskarten ausgewählte Texte aus Briefen und Tagebüchern z.B. von Else Lasker-Schüler, Victor Klemperer und Mascha Kaléko gezeigt, die beide Seiten des Strandalltags illustrieren: das Naturschöne und Erholsame an der Ostsee und die zunehmende antisemitische Bedrohung bis 1937, als nahezu alle Seebäder und Strände für jüdische Badegäste verboten waren.
Die Ausstellung ist (wie das Buch) wie eine historische Reise an die Ostsee angelegt, ausgehend von den Bädern im Osten (sie sind die ältesten) zu denen Richtung Westen, wobei es schwerpunktmäßig um die Bernsteinküste auf dem Samland, Kolberg an der »pommerschen Riviera«, Usedom, Hiddensee und den Darß geht. Aus Platzgründen muss auf die Mecklenburgischen Ostseebäder verzichtet werden, deren Geschichte im Buch indes ausführlich beschrieben wird.
Um jüdische Badegäste abzuschrecken und fernzuhalten, bezeichnen sich Hotels und Pensionen in Hausprospekten und Annoncen als »deutsch« und »christlich« oder heben hervor: »Empfohlen vom Deutschen Offiziersverein«. Auf Strandpromenaden sind antisemitische Beschimpfungen zu hören, in Strandkabinen finden sich gehässige Kritzeleien – bis 1914 zwar nur vereinzelt, aber deutlich genug, um die Bedrohung ernst zu nehmen. Unterdessen werben jüdische Unterkünfte, die in etlichen Seebädern (wenngleich in nur geringer Zahl) vorhanden sind, für ihre gutbürgerliche Qualität, werden die Häuser streng rituell geführt, erfolgt die Anpreisung zusätzlich in Hebräisch.
Im Unterschied zu Prerow, das schon 1929 stolz seinen »anerkannt nationalsozialistischen Charakter“ unterstreicht, gab es in Ahrenshoop trotz aller Schikanen und Repressalien durch den NS-Apparat verborgene Nischen für Verfolgte und auch politisch Gefährdete. Noch 1932 wird im druckfrischen Ahrenshoop-Prospekt erklärt: »Zwanglosigkeit und Toleranz sind unsere sorgfältig gehüteten Eigenschaften, was sich auch auf die Politik bezieht.« Mit voller Härte treffen die antisemitischen Maßnahmen allerdings die seit 1918 in Althagen ansässige Künstlerin Edla Charlotte Rosenthal. 1938 muss sie ihre Büdnerei zwangsverkaufen und den Ort verlassen. Von Werder an der Havel, wohin sie sich zurückzieht, wird sie am 14. April 1942 ins Vernichtungslager Treblinka deportiert. Im Hermann-Abeking-Weg nahe ihrer einstigen Büdnerei, die nicht mehr existiert, erinnert ein Stolperstein an Edla Charlotte Rosenthal.