»Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie viele Pflanzen es gibt.« Viele sind vom Aussterben bedroht und doch werden beinahe täglich auch neue entdeckt, schreibt Kathy Willis, Direktorin der Royal Botanic Gardens, Kew (London) im Jahr 2017. Wissenschaftler:innen schätzen die Anzahl der Pflanzenarten weltweit auf ca. 300.000 bis zu 400.000. Es gibt sie überall auf der Welt. Viele von ihnen gedeihen noch unter den extremsten Bedingungen oder entwickeln sich in Reaktion auf veränderte Lebensbedingungen und Herausforderungen kontinuierlich weiter.
Ohne Pflanzen könnten wir nicht existieren, denn sie produzieren nicht nur den Sauerstoff, den wir zum Atmen benötigen, sondern auch Nahrung und Rohstoffe, die wir zum Beispiel in Kleidung oder für Heilmittel weiterverarbeiten. Sie begleiten unseren Alltag, im eigenen Garten als Teil idealer Wohnvorstellungen oder im Park als öffentlichem Ort der Entspannung. Sie zieren, oft kaum beachtet, Verkehrsinseln, Mittel- und Fahrbahnrandstreifen oder orchestrieren – als elegant komponierte Blumenbouquets – wichtige Stationen unseres Lebens.
Und neben Optik und Aromen haben sie dabei auch stets weitreichende symbolische Qualitäten. Blumen wie das Vergissmeinnicht zum Beispiel erzählen bereits im Namen eine kleine Geschichte von Abschied und Treue. Andere, wie das zum Sinnbild personifizierter und oftmals ausgenutzter Bescheidenheit aufgestiegene Stiefmütterchen, werden zum geflügelten Wort menschlicher Umgangsformen. Wen wundert es da, dass sie auch in der Kunstgeschichte ein Dauerbrenner sind und selbst in der modernen und zeitgenössischen Kunst auf vielfältigste Weise blühen, wuchern und welken.
Auch in der Sammlung Würth ist die florale Diversität groß. Vasen voller prächtiger Sträuße bei Lovis Corinth, Gabriele Münter oder Emil Nolde, blühende Wiesen bei Philipp Bauknecht, Franz Marc oder Alex Katz, verwunschene Künstlergärten bei David Hockney, Per Kirkeby oder Andy Warhol, minutiös archivierte »Herbarien« bei Herman de Vries, aber auch dystopische Hinweise auf eine aus den Fugen geratene Welt, etwa bei Marc Quinn oder Anselm Kiefer – sie alle zeigen, dass die künstlerischen Auseinandersetzungen mit der vegetabilen Welt nicht nur zu Inbildern kreatürlicher Sinnlichkeit, sondern immer auch zu Dokumenten eines kontinuierlichen kulturellen Deutungswandels werden können. Seine symbolisch-philosophischen, politischen, dekorativen, naturkundlichen und ökologischen Aspekte bilden das inhaltliche Gerüst der kommenden Sammlungsausstellung in der Kunsthalle Würth.
Neben den rund 150 vielfach hochprominent ausgewählten Werken der modernen und zeitgenössischen Sammlung Würth ergänzen zwei fernöstliche Leihgabenkomplexe sowie ein umfangreiches Begleitprogramm das thematische und ästhetische Spektrum der Ausstellung.