Der Troisdorfer Bilderbuchpreis wird in diesem Jahr zum 24. Mal verliehen. Er ist nach wie vor der einzige Spezialpreis für künstlerische Bilderbuchgestaltung im deutschsprachigen Raum. Die diesjährige Jury, die am 19. Mai 2023 im Bilderbuchmuseum eintraf, setzte sich aus der Programmleiterin des Kölner Jungen Literaturhauses Ines Dettmann, aus Dr. Mirijam Steinhauser, die u.a. für kinderjugendmedien.de die Kategorie »Bilderbuch« betreut, sowie der Leiterin des Bilderbuchmuseum Troisdorf, Dr. Pauline Liesen, zusammen. Die Jury ernannte insgesamt drei Preisträger:innen wie auch eine Förderpreisträgerin. Ein weiterer Preis wurde von der unabhängigen Kinderjury vergeben. Diese setzte sich aus Drittklässlern Troisdorfer Grundschulen zusammen.
Die Ausstellung zeigt neben den Preisträgerbüchern eine Auswahl der eingereichten Arbeiten und damit ein abwechslungsreiches und repräsentatives Bild aktueller Bilderbuchillustration im deutschsprachigen Raum. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit zahlreichen farbigen Abbildungen sowie Texten von Gabriele von Glasenapp, Mirijam Steinhauser, Ines Dettmann, Pauline Liesen, Almut Tscheuschner, Jennifer Walther-Hammel und Stefanie Rauscher.
Die Jury entschied einstimmig, Sabine Kranz mit ihrem Bilderbuch In meinem Rucksack wohnt ein Tiger (FISCHER Sauerländer, Frankfurt a.M. 2022) den ersten Preis des Troisdorfer Bilderbuchpreises zuzuerkennen. Mit ihren wenigen, immer wiederkehrenden Farben und kolorierten Umrisszeichnungen erschafft Sabine Kranz einen Tiger mit eher katzenähnlichem Äußeren, der angeblich in Bens Rucksack wohnt. Doch sehen wir als Leser:innen den Tiger immer wieder – und zwar außerhalb des Rucksacks. Die eher phantastische, da übergroße und teilweise durchsichtige Erscheinungsform des Tieres lässt dabei vermuten, dass der Tiger nicht real existiert. Tatsächlich bleiben Text-und Bildkonstellation sehr deutungsoffen und überlassen dem Lesenden zahlreiche Freiräume, die dazu einladen, selbst zu entdecken und zu interpretieren. Die zahlreichen Nebenszenen wiederholen Gleiches. Kurzum: Ein wunderbares, ästhetisch reizvolles Buch über Phantasie und Freundschaft, das durch seine Uneindeutigkeit in Wort und Bild zum aktiven Lesen motiviert.
Den zweiten Preis des Troisdorfer Bilderbuchpreises 2023 erhält die Illustratorin Susanne Straßer. Ihr Preisträgerbuch Wenn Gott ein Kaninchen wäre… (Verlag Herder, Freiburg i.B. 2022) schafft Brücken – zu einem Text, der durchdekliniert, was Gott alles sein könnte und zum Schluss das Fazit zieht, das sich Gott auch im Menschen findet. »Vielleicht bin ICH ein Gott. Vielleicht ist JEDER Gott?«, ist ein abschließender Gedanke der kindlichen Protagonistin, der zum einen sicherlich inhaltlich anstößt, zum anderen zum selbstkritischen Nachdenken anregt. Geschickt nimmt Susanne Straßer die durchaus theologisch-philosophischen Textzeilen auf und bindet sie in eine Atmosphäre ein, die fröhlich-verrückt erscheint. Damit nimmt sie den Zeilen das möglicherweise allzu Ernsthafte und verbindet es stattdessen sehr sensibel mit der Darstellung von Schönheit und Faszination von Gottes Erde.
Der dritte Preis schließlich wurde Bernd Mölck-Tassel und seinem Buch Wir Menschen (Jacoby & Stuart, Berlin 2021) zuerkannt. Mit seinen teils reduzierten, teils detailreich ausgearbeiteten Bildern kreiert Bernd Mölck-Tassel Lebensräume, in denen sich Menschen befinden, um zu arbeiten, die Freizeit zu genießen, zu spielen, zu altern – einfach um zu leben. Dabei wird das menschlich Verbindende wie auch das Individuelle gespiegelt. Text und Bild gehen in ihren Aussagen nicht immer konform; vielmehr ist ihr Zusammenspiel darauf angelegt, zu hinterfragen und zu ergänzen. Ohne zu provozieren, ohne plakativ zu werden, laden Bernd Mölck-Tassels Bilder dazu ein, miteinander zu diskutieren vor allem über das, was uns Menschen ausmacht.
Beim Förderpreis stachen die Illustrationen von Nina Maria Drangmeister besonders hervor. Mit ihren Bildern zum Gedicht Der Panther von Rainer Maria Rilke widmete sie sich einem lang bekannten Text, den sie mittels der Illustrationen in das Hier und Jetzt überführte. So setzte sie die Situation des Panthers in enge Verbindung zu einem Kind, das in Corona-Zeiten das Haus nicht oder nur selten verlassen darf und sich damit genau so eingesperrt fühlt wie einst Rilkes Panther im Zoo. Diese neue Sichtweise auf die Gedichtzeilen des beginnenden 20. Jahrhunderts wird durch die meisterhaften Illustrationen der Künstlerin sichtbar und macht damit das klassische Gedicht sowohl für die jungen als auch für die älteren Leser:innen erneut erleb- und nachvollziehbar.
Den Preis der Kinderjury schließlich erhält das Buch »Was macht ihr denn da?« von Alexandra Prischedko (Edition Bracklo, Birkenwerder 2022). Mit dem Wunsch, in den Zoo gehen zu wollen, beginnt die Geschichte von Sophie. Auf dem Weg zu ihrem Zielort wird der Zoo bereits lebendig: Am Zebrastreifen stehen Zebras, im Brunnen schwimmen die Fische und die Sonnenschirme ähneln rosaroten Quallen. Mit ihren Phantasiebildern im Kopf, die immer wieder Reales und Irreales ineinanderfließen lassen, vergeht die Zeit wie im Flug, weshalb sich zum Schluss für Sophie nur noch die Frage stellt: »…und was mache ich morgen?«.