Das Schaffen von Zora Berweger (*1981, Bern, CH, lebt und arbeitet in Leipzig, DE) umfasst Malerei, Zeichnung, Keramik, Installation, Skulptur, Fotografie und Licht. Ihre multimedialen Arbeiten speisen sich aus einem Vokabular geometrischer Grundformen, archaisch anmutender Gegenstände und einer der Natur entlehnten Formgebung.
Mit minimalen Mitteln und präziser Materialisierung inszeniert Zora Berweger ihre Arbeiten als räumliche Setzungen. Sie untersucht den Ausstellungsort wie einen Bildraum; spielt mit Maßstäblichkeit, Konstellationen oder Verschiebungen und setzt die unterschiedlichen Medien in Beziehung. Eigenheiten von Körpern, Oberflächen und Stofflichkeit vereinen sich in ihren Werken mit der Wahrnehmung von Licht und Farbe und erhalten dadurch eine veränderte Präsenz. Inspiriert von den räumlichen Gegebenheiten der Kunsthalle Appenzell entsteht ein Dialog von Werken, Materialien und Raum, bei dem die einzelnen Elemente kommunizieren und inhaltliche sowie formale Verwandtschaften erkennen lassen.
Angelehnt an die Raumanordnung der Kunsthalle mit ihren drei übereinanderliegenden Ausstellungsräumen, orientiert sich Berweger an der Figur eines Gewächses. Sie fokussiert Funktionen, Potenziale und Zuordnungen von verschiedenen Bestandteilen einer Pflanze und schafft Kombinationen, die stets auch auf das Ungesehene und Verborgene verweisen. Während im Erdgeschoss das Wurzelwerk, welches als Teil einer Pflanze in der Erde verankert ist und unserem Blick grösstenteils verborgen bleibt, als inhaltlicher und formaler Ausgangspunkt dient, ist es im mittleren Saal das Zentrum eines Gewächses, wo Nährstoffe gebündelt werden und die Kräfte zusammenfliessen. Im obersten Raum stehen Erscheinungsformen innerhalb unserer Atmosphäre sowie die Verbindung zum Kosmos im Zentrum.
Eine eigens für die Ausstellung geschaffene, grossformatige Neoninstallation, die mit feinen Drahtseilen von der Decke hängt und deren visuelle Erscheinung von Glas, Licht und Stromkabeln mitgeprägt ist, markieren den Beginn des Rundgangs. Der Raum ist den Gefilden unterhalb des Bodens und dem Erdinneren gewidmet, und so bilden die einzelnen Lichtzeichen von Roots (2023) zusammen eine Art leuchtendes Wurzelsystem. Die Neonkörper sprechen eine reduzierte Formensprache und erwecken mehrfache Assoziationen: Sie können an typografische Elemente, Schriftzeichen aus vergangenen Kulturen, möglicherweise an Hieroglyphen, Symbole, Antennen, Astwerke oder einfachste Werkzeuge erinnern. Roots verweist auf Kommunikationssysteme, wie zum Beispiel das der Pflanzen, die über ihre Wurzeln im Kontakt zueinander stehen, wobei nicht nur der Informationsaustausch von Bedeutung ist, sondern auch das Moment des Lauschens, Zuhörens und des nährenden Aufnehmens.
Zora Berwegers Arbeit zeichnet sich durch ein Wechselspiel zwischen Flächigkeit und Raum aus. Während sie sich zu Beginn ihrer künstlerischen Karriere mit der Malerei befasste, verlagerte sie ihre Praxis sukzessive in den dreidimensionalen Raum und begann sowohl skulptural als auch installativ zu arbeiten. Sie verwendete zunehmend plastische Masse und näherte sich dem Relief und Wandobjekten an. In jüngerer Zeit beschäftigte sich die Künstlerin mit der Fotografie räumlicher Inszenierungen, die sich durch ihre präzisen, minimalistischen Setzungen von Materialien und Objekten auszeichnen. Die plastischen Körper erhalten in der zweidimensionalen Darstellung eine zeichen- oder symbolhafte Präsenz und werden zu Trägern von Erinnerungen an haptische und unmittelbar körperliche Erfahrungen.
Die Ausstellung erstreckt sich über 450 m² und die drei Stockwerke der Kunsthalle Appenzell. Sie fokussiert auf neue Werke und bietet gleichzeitig einen Rückblick auf das Schaffen der Künstlerin. Greeting the Unseen ist die erste institutionelle Einzelausstellung der Künstlerin und ermöglicht es, ihr multimediales Schaffen umfänglich zu präsentieren und als gesamtheitlichen Organismus zu erleben.
Kuratorin: Stefanie Gschwend, Direktorin Kunstmuseum / Kunsthalle Appenzell