Die Kunsthalle Recklinghausen beginnt ihr 75. Jubiläum mit einer außergewöhnlichen Ausstellung: Auf Basis von zum Teil noch nie gesichtetem Archivmaterial aus den 1950er Jahren wird klar: noch vor der ersten documenta wurden innovative und radikal neue Ausstellungskonzepte hier inszeniert, die heute vergessen sind. Durch Kooperationen und Leihgaben aus der ganzen Welt, von Amsterdam, über Indien und Japan hin zum Austausch mit Venedig war das Ruhrgebiet und vielen voran die Kunsthalle Recklinghausen in den 1950er Jahren Motor einer neuen Kunst und Display-Kultur. Einige der bemerkenswertesten Ausstellungsinszenierungen wurden nun für Die Anfänge: Radical Innovations erstmals nachgebaut und werden mit Leihgaben aus ganz Europa ab Dezember 2024 in Recklinghausen gezeigt.
Vor fast 75 Jahren, im Mai 1950 eröffnete das städtische Museum Kunsthalle Recklinghausen, damals initiiert von Franz Große-Perdekamp und Thomas Grochowiak, die den alten Hochbunker aus Weltkriegstagen zur Kunsthalle erklärten und fortan zum Ausstellungsort internationaler Kunst deklarierten. Nicht nur die Ausstellung der Ruhrfestspiele hat hier einen festen Präsentationsort gefunden, auch der Kunstpreis »junger westen«, der älteste Kunstpreis in Deutschland nach 1945 wird seitdem wiederkehrend, neben einem wechselnden Programm in der Kunsthalle gezeigt.
Radikale Innovationen waren nicht nur auf den Leinwänden der Künstler:innen der Nachkriegszeit zu finden, sondern spielten sich auch im Ausstellungsraum ab. Vom Figurativen zum Gegenstandslosen, von der Wand in den Raum. Im Rahmen der ersten Ausstellung die das Jubiläumsjahr einläutet werden Arbeiten des »junger westen« und seiner Freund:innen in einigen der Ausstellungsdisplays der 1950er Jahre präsentiert. Innovative Ausstellungsdesigns, die das Textile miteinschließen, die Präsentation im White Cube herausfordern und den Raum als Spielfläche nutzen. Die Schau vereint in sich drei wichtige Aspekte der ersten Dekade der Kunsthalle Recklinghausen. Sie präsentiert die Künstlergruppe »junger westen« und eng mit ihr verbunden, Teilnehmende des gleichnamigen Kunstpreises als Grundstein für die eigene Sammlung. Die Ausstellungsdisplays verweisen in ihrer Materialität auf eine Neuausrichtung der Präsentationsformen, welche die Reorganisation der westlich-gerichteten Kunst unterstützten. Zuletzt widmet sich die Schau wiederentdeckten Positionen weiblich gelesener Künstlerinnen, die bereits in den 1950er Jahren in Wanderausstellungen wie Réalités Nouvelles, Nouvelles Réalités, 1958 oder Vitalita nell’Arte, 1959 in der Kunsthalle zu Gast waren. Ihre Praxis wirft ein neues Licht auf den männlich dominierten Kanon gegenstandsloser bzw. informeller Kunst und fordert gleichzeitig den längst überfälligen Einzug dieser Künstlerinnen in den Kanon der Nachkriegskunstgeschichte.
Mit Arbeiten von:
Sandra Blow, Hal Busse, Lynne Chadwick, Emil Cimiotti, Jeanne Coppel, Gustav Deppe, Natalia Dumitresco, Claire Falkenstein, Thomas Grochowiak, Hella Guth, Otto Herbert Hajek, Ernst Hermanns, Frieda Hunziker, Emil Kiess, Sigrid Kopfermann, Jaap Mooy, Alicia Penalba, Marie Raymonds, Marie-Louise von Rogister, Emil Schumacher, Heinrich Siepmann, Hans Uhlmann, Hans Werdehausen
Die Ausstellung vereint die Ergebnisse des vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen geförderten Forschungsvolontariates im Rahmen der Aufarbeitung der Ausstellungs- und Sammlungshistorie der Kunsthalle Recklinghausen von 1950 bis 1959.
Vernissage: 14. Dezember, 17:00 Uhr
Symposium: 23. und 24. Januar 2025
Finissage-Wochenende: 5. und 6. April 2025