Shall You Return Everything, but the Burden

Eine Frau trägt ein schweres Bündel auf ihrer Schulter durch eine malerische Landschaft. Plötzlich bleibt sie stehen, nimmt ein Gefäß aus ihrem Tuch und schüttet Erde auf den Boden. Diese symbolische Geste der Rückgabe ist die künstlerische Antwort der südafrikanischen Künstlerin Lebohang Kganye auf die Begegnung mit der Fotosammlung des Rautenstrauch-Joest-Museums (RJM) Der Film »A Burden consumed in Sips«, den die Künstlerin während ihres Artist Meets Archive Aufenthalts am Museum auf Einladung der Internationalen Photoszene produziert hat, zeigt diese Szene. Er ist Teil der Ausstellung »Lebohang Kganye. Shall You return Everything, but the Burden«, die am 11. Mai zum Photoszene-Festival 2023 im RJM eröffnet wurde.

Wem gehören die Inventare eines Archivs? Wem gehören die Objekte in einem Museum und was soll damit geschehen? Gerade das ethnologische Museum ist aufgrund dieser und anderer Fragen einer der umstrittensten Orte der Gegenwart. An genau diesen Ort begibt sich Lebohang Kganye mit ihrer Arbeit im Foto-Archiv. Ausgangspunkt von Lebohang Kganyes Arbeit sind Illustrationen und Fotografien der deutschen Malerin und Fotografin Marie Pauline Thorbecke, die von 1911–1913 gemeinsam mit ihrem Mann Franz Thorbecke im Auftrag der Deutschen Kolonialgesellschaft eine Expedition nach Kamerun unternahm. »Nach dem Öffnen verschiedener Kisten im Rautenstrauch-Joest-Museum entdeckte ich Landschaftsdarstellungen im Panoramaformat und Strichzeichnungen auf gealtertem Papier. Die Aussicht auf dieses ›unberührte Paradies‹ und die Leere der ›malerischen afrikanischen Landschaft‹ haben mich magisch angezogen. Ich erkannte die koloniale Irritation, die von historischer Gewalt geprägt war. Meine Auseinandersetzung mit dieser Begegnung war meine Art, das Land zu sehen«, erzählt Kganye.

Die südafrikanische Fotografin und »Geschichtenerzählerin« – wie sie sich selbst bezeichnet – reiste 110 Jahre später auf diesen fotografischen Spuren erneut durch Kamerun. Neun Orte bereiste sie, begegnete Menschen und las Bücher, die die Kolonialzeit aus kamerunischer Perspektive beleuchten. Es ist eine Annäherung an eine Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven. Kganye verwebt diese unterschiedlichen Seiten ein und derselben Geschichte in ihrer Installation »Two Stories of (Hi)stories Betray me«, die sie eigens für die Ausstellung geschaffen hat. In sechs bühnenbildartigen Szenen verwebt die Künstlerin Anekdoten und Geschichten aus Kamerun mit den historischen Aufnahmen Thorbeckes und ihrer ganz persönlichen Geschichte. Es geht ihr nicht darum, koloniale Protagonisten auf Fotos erneut in den Mittelpunkt zu stellen. Kganye nutzt die vorhandenen Bilder, um neue zu produzieren. Dadurch löst sie sie aus ihrem rein kolonialen Zusammenhang, findet und stellt neue Bedeutungszusammenhänge her und fragt nach der Bedeutung dieser Bilder in der Gegenwart.

Die Ausstellung wird durch ein breites Veranstaltungsprogramm flankiert, das den Fokus auf die deutsch-kamerunische Kolonialgeschichte und das Medium Fotografie legt.

Die Schau gehört zum Kernprogramm des Photoszene-Festivals 2023 und ist Teil des Photoszene-Programms Artist Meets Archive, für das internationale Künstler:innen eingeladen werden, an Kölner Institutionen zu arbeiten um eine Ausstellung für das Photoszene-Festival zu entwickeln. Die anderen Ausstellungen von Artist Meets Archive finden im NS-Dokumentationszentrum, im Museum für Ostasiatische Kunst und im Rheinischen Bildarchiv zu Gast in der Handwerkskammer statt. Alle Termine auf: www.photoszene.de.

Das RJM wird in diesem Jahr das Festivalzentrum im Herzen der Stadt sein. Neben der Ausstellung von Lebohang Kganye zeigen auf einer weiteren Ebene des Gebäudes mehr als 40 internationale Studierende unter dem Titel ›FIRST PAGES‹ im Rahmen der Ausstellungsreihe ›Counter Images | Gegenbilder‹ hochaktuelle Perspektiven einer vielstimmigen Gegenwart in über 40 Fotobüchern. In diesem Umfeld werden sich über 25 nationale und internationale Verlage und Künstler:innen auf der Thousandfold Photobook Fair am 13. und 14. Mai präsentieren. Am gleichen Wochenende bietet das diesjährige Portfolio Review SICHTBAR eine Kombination aus gebuchten Expert:innengesprächen und einem Portfolio Walk, bei dem sowohl Besuchende des Festivals als auch eingeladene Professionals die eingereichten Werke anschauen können.

Weitere Infos

Direktorin
Nanette Snoep/RJM

Kuratorin
Lucia Halder/RJM

Projektleitung Artist Meets Archiv
Helena Weber/Internationale Photoszene Köln

Programmleitung Artist Meets Archiv
Inga Schneider/Internationale Photoszene Köln

Ausstellungsgestaltung
Mirko Podkowik/running water

Grafische Gestaltung
Studio Carmen Strzelecki

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