Das Quadrat steht im Zentrum der konkreten Kunst. Im Unterschied zu anderen geometrischen Formen wie etwa dem Kreis verweist es nicht auf wiedererkennbare Objekte in der Natur, sondern zeigt sich als reine Konstruktion aus stets vier gleichen Seiten und vier gleichen Winkeln. Durch seine Einfachheit, Klarheit und Ruhe ist das Quadrat ebenso zeitlos wie faszinierend.
Die französische Malerin Aurélie Nemours (1910–2005) ist während der Arbeit an ihrem für die Reutlinger Wandel-Hallen angefertigten Hauptwerk Le long chemin 1989 zu dem Schluss gekommen: »Das Quadrat muss den Raum beherrschen!«
Nun könnte man fragen: Tut es dies nicht bereits seit Langem? Schließlich sind Quadrate in unserer Alltagswelt überall präsent: Plätze, Böden und Wände sind quadratisch gepflastert oder gekachelt, ganze Städte sind rasterförmig angelegt und der Quadratmeter ist das grundlegende Maß für die Vermessung einer Fläche. Quadrate mit abgerundeten Ecken sehen wir täglich bei Verkehrs- und Hinweisschildern, bei unzähligen Logos und den Icons von Apps, bei Kachel-Wänden auf Instagram oder bei QR-Codes. Auch das Pixel als kleinstes digitales Element eines Bildes stellen wir uns oft als Quadrat vor.

Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Quadrat ist nun in einer großen Sammlungsausstellung zu erleben. Neben einem Querschnitt durch das Werk Aurélie Nemours’, die sich wie kaum ein:e andere Künstler:in auf das Quadrat konzentriert hat, werden Arbeiten von 17 weiteren Künstler:innen aus den Jahren 1939 bis 2003 präsentiert. Ihre Bandbreite reicht von den berühmten Homages to the Square des Bauhaus-Lehrers Josef Albers über die einflussreichen Gestaltungen des Corporate Design-Pioniers Anton Stankowski oder des Multitalents Max Bill bis hin zu jüngeren Positionen wie Kathrin Kaps. Dabei treten künstlerische Verwandtschaften zwischen den einzelnen Positionen hervor, die sich in ihrer Arbeit gegenseitig inspiriert und teilweise auch kooperiert haben.
Die Techniken der ausgestellten Arbeiten reichen von Öl- und Acrylmalereien über Plastiken aus Acrylglas oder Holz sowie Reliefs aus Papier bis hin zur Installation aus Stahlbeton sowie Mixed Media Collagen. Das scheinbar starre Quadrat setzt sich dabei in Bewegung: Es zerfällt in Dreiecke, Rechtecke und Linien oder tritt aus dem Raum heraus. Es fügt sich zu Rastern, Würfeln und Türmen oder scheint sich in Abfolgen aus Gittern, Strichen und kleinsten Teilchen aufzulösen. Es kann durch ein Oval hindurch betrachtet werden, als Raute auf seiner Spitze balancieren oder sich scheinbar im Kreis drehen. Reduziert auf die Geometrie präsentiert es sich in Schwarz und Weiß, dann wieder lädt es zur Wahrnehmung knalliger Farbkontraste oder feinster Nuancen ein. In dieser Ausstellung beherrscht das Quadrat wahrhaftig den Raum.

Kurator: Holger Kube Ventura

Katalog: 21 x 19 cm, ca. 160 S., ca. 90 Abb., Texte von Holger Kube Ventura, DCV Verlag, Museumpreis: 10 €
Kurzführer: 15 x 11 cm, 32 S., Texte in vereinfachter Sprache, kostenlos

Werke von:

Josef Albers (1888–1976)
Götz Arndt (geb. 1962)
Max Bill (1908–1994)
Ad Dekkers (1938–1974)
Helmut Federle (geb. 1944)
Gottfried Honegger (1917–2016)
Kathrin Kaps (geb. 1961)                        
Fritz Klingbeil (1936–2023)
John Meyer (1944–2002)
Gerold Miller (geb. 1961)
Aurélie Nemours (1910–2005)
John Nixon (1949–2020)
Peter Roehr (1944–1968)
Jan J. Schoonhoven (1914–1994)
Anton Stankowski (1906–1998)
Klaus Staudt (geb. 1932)
Herman de Vries (geb. 1931)
Gerhard Wittner (1926–1998)

Eröffnung: Donnerstag, 14. November 2024, 19 Uhr

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