Die Radierung, deren Ursprünge als Tiefdrucktechnik am Beginn des 16. Jahrhunderts liegen, entfaltet ihre volle Pracht nach einer Verfeinerung und Weiterentwicklung der Möglichkeiten ihrer Umsetzung in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Noch von berühmten Stechern wie Dürer als dem Kupferstich unterlegene Technik verworfen, erlebt die Radierung ein Jahrhundert später ihre barocke Blüte. Ihren wenngleich späten Erfolg verdankt die Radiertechnik der Freiheit der Linie. Anders als in der mühsamen Manier des Kupferstichs, bei dem die Linien mit einem Grabstichel kraftvoll in die Metallplatte getrieben werden müssen, kann die Hand die Zeichnung des Künstlers auf der mit Wachs überzogenen Radierplatte spielerisch leicht umsetzen.
Im Zentrum der Ausstellung stehen die Werke dreier Künstler, die sich in der Radiertechnik besonders hervorgetan haben: Jacques Callot (1592–1635), Erfinder einer eigenen Radiernadel und Meister des barocken »Wimmelbildes«; Stefano della Bella (1610–1664), der seine schnellen Skizzen kurzerhand direkt radiert statt sie zu zeichnen; und Giovanni Benedetto Castiglione (1609–1664), der Meister der Zick-Zack-Linie, dessen dichte Liniengeflechte den Werken seines Vorbilds Rembrandt um nichts nachstehen. Die Arbeiten dieser drei Radierer werden in der Ausstellung mit Werken ihrer Zeitgenossen und Vorgänger, von Hieronymus Hopfer über Federico Barocci bis Rembrandt, verglichen und die Radiertechnik anschaulich erläutert. Neben den umfangreichen Beständen zur barocken Druckgraphik aus der Graphischen Sammlung des Mainzer Landesmuseums wird die Schau durch eine Reihe hochrangiger Leihgaben ergänzt. Die Ausstellung »Die Freiheit der Linie« präsentiert und unterstreicht die Bedeutung der Radiertechnik im 17. Jahrhundert und gewährt faszinierende Einblicke in die Arbeitsprozesse und Ästhetik der barocken Druckgraphik.
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog im Deutschen Kunstverlag.