Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Romans Der Zauberberg von Thomas Mann verwandelt die britische Künstlerin Heather Phillipson die Kunsthalle St. Annen ab dem 13. September 2024 in ein begehbares Kunstwerk. Für ihre Einzelausstellung lässt sie sich maßgeblich vom Motiv der Zeit und des gesellschaftlichen Wandels inspirieren, die im Zauberberg eine zentrale Rolle spielen. Der Roman handelt vom individuellen Erleben der Zeit vor dem Hintergrund epochaler Umbrüche vor dem Ersten Weltkrieg.

In Extra Time wird die ehemalige Kirche des St. Annen-Klosters zum Portal für Träume und Visionen einer alternativen Gegenwart und möglicher Zukünfte. Die Hauptakteure der künstlerischen Inszenierung sind krähenartige Charaktere, die die gesamte Ausstellungsfläche bevölkern. Krähen gelten als eine der intelligentesten Vogelarten. Ihr geheimnisvoller und prophetischer Ruf, hat sie darüber hinaus zum Gegenstand zahlreicher Mythen und Legenden gemacht, oft erscheinen sie als Vorboten und Anstifter großer Umbrüche. In der Ausstellung kommen sie in Massenversammlungen zusammen, schwärmen aus, beobachten, beraten, protestieren und träumen. »Wie der Titel ›Extra Time‹, ein aus dem Fußball entlehnter Begriff für die Nachspielzeit am Ende eines Spiels, andeutet, versucht die Ausstellung ein Gefühl von überlaufender Zeit zu vermitteln, ein Übermaß an Zeit, eine Zeit außerhalb der vorgesehenen Zeit, in der sie anders vergeht und unser Zeitempfinden herausfordert«, so die Künstlerin.

Die Szenen von Phillipson verweisen zugleich auf die Stadt Lübeck, die neben Manns Roman eine weitere wichtige Referenz für Extra Time darstellt. Wie für ihre Arbeitsweise charakteristisch, ist Heather Phillipson in die Stadt eingetaucht und hat ihre Bilder, Geräusche, Gerüche und Geschichten auf sich wirken lassen. Die Krähen, die vor allem in den frühen Morgenstunden die Stadt und ihre Spiel- und Sportplätze bevölkern, motivierten die Künstlerin dazu, diese geheimnisvolle Stimmung in detailreich komponierte Raumcollagen und surreale Umgebungen zu überführen. Die Besuchenden wandeln in der Kunsthalle St. Annen durch mit Orangen übersäte Fußballfelder, zwischen Protestcamps, Spielplätzen und Himmeln, gleichsam durch vierdimensionale Bilder.

Die Ausstellung, die als Parcours durch die einzelnen Räume führt, hat Heather Phillipson eigens für die Kunsthalle St. Annen entwickelt und nur hier wird sie in ihrer Gesamtheit zu erleben sein. Die Künstlerin bezieht die aufsteigende Architektur des Ausstellungshauses mit ein, die sinnbildlich für den Zauberberg von den Besuchenden über drei Etagen erklommen werden kann.

In ihren raumgreifenden Installationen verbindet Phillipson eine Vielzahl unterschiedlicher Medien – von Video über Collage, Skulptur, Musik, digitale Medien bis hin zu Wandbildern, Zeichnungen und Texten. So gelingt ihr in Extra Time die sinnliche Verbindung ihrer Kunst mit zentralen Motiven aus Manns Roman und der Dringlichkeit unserer Gegenwart.

Die Ausstellung Extra Time wird begleitet von einem breit angelegten Veranstaltungs- und Vermittlungsprogramm. Auf die Besucher:innen warten unter anderem dialogische Rundgänge sowie Workshops mit Künstler:innen. Ferner können Sie sich auf gemeinsame Partys und so beliebte Formate wie das Art Dinner und den St. Annen Talk freuen, die Raum für Begegnung, Musik, Kulinarik und Gespräch bieten. 

Eröffnung: 13. September 2024

Heather Phillipson 
(* 1978, UK) ist eine preisgekrönte Künstlerin und Dichterin. 2022 wurde Phillipson für den Turner-Preis nominiert. Zu ihren jüngsten Projekten gehören eine neue Kommissionsarbeit für Art Night 2023 in Zusammenarbeit mit dem Programm Wild Escape des Art Fund und dem BBC-Archiv, eine Kommission der Duveen Galleries der Tate Britain, London (2021–22), Kommission für die Fourth Plinth am Trafalgar Square, London (2020–22) sowie ein großangelegtes Projekt Art on the Underground an der Station Gloucester Road (2018). Ihre Arbeiten wurden international ausgestellt, unter anderem in den Serpentine Galleries, der Whitechapel Gallery London, dem New Museum New York, dem Palais de Tokyo, der Schirn Frankfurt, auf der Sao Paulo Art Biennale (2016), Athen Biennale (2018) und Sharjah Biennale (2019). Phillipson ist zudem eine renommierte Filmemacherin, erhielt 2016 den Film London Jarman Award und gehörte 2018 zur Auswahl des European Short Film Festival des International Film Festival Rotterdam sowie mehrere Auszeichnungen für ihre Gedichte. 2024 wird Phillipson eine neue Kommissionsarbeit für das Imperial War Museum’s 14–18 Now Legacy Fund in Zusammenarbeit mit der Glynn Vivian Gallery, Swansea, und einen neuen Dauerauftrag für Hospital Rooms, Vereinigtes Königreich, realisieren.

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