1532 begab sich der holländische Künstler Maarten van Heemskerck auf eine Reise von Haarlem nach Rom. Von seinem etwa fünfjährigen Aufenthalt in der Ewigen Stadt hat sich im Kupferstichkabinett ein einmaliges Konvolut von über 170 Zeichnungen erhalten. Dazu gehören neben Panoramen und Stadtansichten vor allem Studien nach antiken Skulpturen und Ruinen. Dieser herausragende Bestand wird 2024 – 450 Jahre nach dem Tod des Künstlers – erstmals vollständig zu sehen sein. Neben den virtuosen Zeichnungen, die zugleich wichtige Bildquellen zur Geschichte Roms zur Zeit der Renaissance darstellen, werden auch Gemälde, Druckgraphiken, Bücher und Gipsabgüsse ausgestellt.
Das Berliner Kupferstichkabinett besitzt zwei spektakuläre Alben mit rund 170 Zeichnungen des holländischen Künstlers Maarten van Heemskerck (1498–1574), die zwischen 1532 und 1536/37 in Rom entstanden. Der Großteil dieser Zeichnungen lässt sich auf ein querformatiges Skizzenbuch zurückführen, das er neben großformatigen Einzelblättern bei seinen Streifzügen durch die Stadt, bei seinen Besuchen in Kunstsammlungen, Antikengärten und heiligen Stätten mit sich führte. Mit großer Sorgfalt hielt van Heemskerck die römische Topografie auf Veduten und Detailstudien fest, kurz bevor die städtebaulichen Veränderungen unter Papst Paul III. Farnese (reg. 1534–1549) einsetzten.
Als erster Künstler zeichnete er das damals noch unwegsame Forum Romanum, die angrenzenden Kaiserforen und Thermenanlagen, das Kolosseum und die Monumente auf dem Palatin und dem Quirinal. Aber auch den Neubau von St. Peter hat er eindrucksvoll dokumentiert, ebenso den Kapitolsplatz vor der Umgestaltung durch Michelangelo. Zudem zeigen die Zeichnungen weltberühmte antike Skulpturen wie den Laokoon, den Torso und den Apollo von Belvedere oft aus ungewöhnlichen, überraschenden Perspektiven. Nicht zuletzt schuf er die ersten Ansichten der neu entstehenden Antikensammlungen, wie jene der Cesi, der Della Valle oder der Sassi.
Auf diese Weise stellte van Heemskerck einen umfangreichen Motivfundus zusammen, aus dem er zeitlebens schöpfen sollte. Nach seinem Tod wurden die Zeichnungen weitergegeben, zunächst an Künstler, später an Sammler. Einzelne Blätter wurden weiterverkauft und der größte Teil vermutlich im 18. Jahrhundert – zusammen mit weiteren Zeichnungen anderer Künstler – in die beiden Sammelalben eingeklebt. So blieb der Kernbestand der römischen Zeichnungen van Heemskercks bis heute zusammen, ein einmaliger Fall der Kunstgeschichte. 1886 und 1892 gelangten die Alben ins Berliner Kupferstichkabinett; seitdem sind sie noch nie in ihrer Gesamtheit ausgestellt worden.
Skizzenbücher rekonstruiert, digitalisiert und faksimiliert
Aus konservatorischen Gründen musste nun das sogenannte erste römische Album, das in den 1980er-Jahren erneuert worden ist, aufgebunden werden, sodass 66 dort zuvor eingeklebte Seiten eines ehemaligen Skizzenbuches mit ihren 130 gezeichneten Vorder- und Rückseiten nun zum ersten Mal öffentlich gezeigt werden können. In Vorbereitung auf die Ausstellung fanden umfangreiche Untersuchungen der Tinten und Papiere statt, die es ermöglichen, die ursprüngliche Reihenfolge der Seiten noch genauer als bisher zu rekonstruieren und die Zeichenprozesse besser zu verstehen.
Eine Rekonstruktion des kleinen Skizzenbuches als Digitalisat und Faksimile vermittelt den Eindruck des vollständigen Ensembles vor seiner Zerlegung und der Aufnahme in den Band. Das zweite Album, das 21 weitere Blätter mit 36 Zeichnungen van Heemskercks enthält, wird in gebundener Form ausgestellt und wöchentlich umgeblättert. Auch hier steht eine digitale Version zur Verfügung.
Skizzen im Kontext von Zeichnungen, Gemälden, Stichen und Abgüssen
Zahlreiche Leihgaben aus verschiedenen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, aber auch aus bedeutenden Museen wie dem Rijksmuseum in Amsterdam, der Bibliothèque Nationale de France und dem Louvre in Paris, den Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein, dem Kunsthistorischen Museum in Wien, der Nationalgalerie in Prag, den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden oder der Hamburger Kunsthalle bereichern die Ausstellung. So finden ehemals zugehörige Skizzenbuchseiten für die Dauer der Präsentation ihren Weg nach Berlin und werden mit ihren Pendants wieder zusammengeführt. Ergänzt werden die Berliner Blätter durch weitere Zeichnungen sowie zwei Gemälde aus der römischen Schaffensphase. Zudem werden Abgüsse antiker Skulpturen, die van Heemskerck gezeichnet hat, ausgestellt. Mehrere Stichserien, die nach seiner Rückkehr nach Holland entstanden und römische Motive aufgreifen, veranschaulichen, wie die ikonischen Bilder seiner Streifzüge durch Rom über die Druckgraphik europaweite Verbreitung fanden.
Ausstellung in drei Kapiteln
Einführend wird van Heemskercks künstlerisches Schaffen vor der Reise thematisiert. Neben den ersten biografischen Würdigungen durch Giorgio Vasari, Hadrianus Junius und Karel van Mander sind Gemälde Jan van Scorels zu sehen, in dessen Haarlemer Werkstatt van Heemskerck zwischen 1528 und 1530 als Mitarbeiter tätig war, des Weiteren eigene frühe Werke. Ergänzt werden diese durch Druckgraphik nach römischen Bauten und Skulpturen sowie Beschreibungen und Pläne der Stadt Rom, die in Holland zirkulierten und zur Vorbereitung einer Reise dienen konnten.
Im zentralen Raum sind van Heemskercks römische Zeichnungen und Gemälde ausgestellt. Die Skizzenblätter sind thematisch gruppiert, sodass Besucher:innen sowohl die hervorragende Zeichenkunst van Heemskercks entdecken als auch seinen Spaziergängen durch Rom folgen können. Dieser ästhetisch-thematische Zugang wird von einer besonderen, von der üblichen Wandhängung in gerahmten Passepartouts abweichenden Präsentation unterstützt, bei der die beidseitig bezeichneten Skizzenbuchblätter nahezu freischwebend in der Mitte des Raumes inszeniert werden.
Der letzte Raum widmet sich der Werkphase nach der Rückkehr nach Haarlem sowie der künstlerischen Rezeption und dem Nachleben der römischen Studien. Hier liegt ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung, der die Funktionen der Zeichnungen im malerischen und druckgraphischen Werk van Heemskercks beleuchtet.
Kuratorisches Team
Die Ausstellung wird kuratiert von Christien Melzer (Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin), Tatjana Bartsch (Bibliotheca Hertziana, Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte, Rom) und Hans-Ulrich Kessler (Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin).
Publikation zur Ausstellung
Zur Ausstellung ist ein Katalog in deutscher und englischer Ausgabe im Hirmer Verlag erschienen. Dieser wurde ermöglicht durch die großzügige Unterstützung der Rudolf-August Oetker-Stiftung, der Bibliotheca Hertziana sowie durch Wolfgang Wittrock und Oskar Matzel.
Zudem erscheint ein Faksimile des römischen Zeichnungsbuches von Maarten van Heemskerck im Hatje Cantz Verlag.