Eröffnung: 14. Oktober 2023, 19 Uhr

Der NAK Neuer Aachener Kunstverein freut sich mit Fine people on both sides, and me. die erste institutionelle Einzelausstellung der Künstlerin Jody Korbach präsentieren zu können.

Lars Eidinger wollte nur mal kurz die Welt begreifen. Der Hass, den er erlebte, trieb ihm Tränen in die Augen. Und so knabberte er vor versammelter Filmpresse sorgenvoll am unlackierten Zeigefinger, bis anerkennendes Klatschen ihn von der elenden Bestürzung ob der allgemeinen Umstände erlöste. Zaghaftes Lächeln des Bühnenstars. Später dann die Häme der anderen.

Dem Mann, der sich noch wenige Wochen zuvor mit Aldi-inspirierter Luxushandtasche vor einem Schlaflager obdachloser Menschen inszeniert hatte, war also die Erkenntnis über die eigene Unzulänglichkeit gekommen. Bloß muss sich, wer vom Podium herab dem Schmerz im Leben schlechter Platzierter nachfühlt, wohl ohne deren Zuspruch auf der richtigen Seite der Geschichte in Stellung bringen.

Jody Korbach hat die Szene in einem Aquarell festgehalten – sinnbildlich für all die Momente, in denen Menschen Position beziehen, in denen sie die Synthese ihrer Selbstreflexion noch ungeschliffen ans Außen bringen und die als Schlüsselmomente der Bewertung vergangenen wie zukünftigen Handelns herangezogen werden. Sicher, war ein blöder Auftritt von Eidinger, doch ist einem, auch wenn er den Beweis der Solidarität noch erbringen muss, vorab die Empathie abzusprechen? Hätte Korbach es besser gemacht? Macht sie es besser?

Mit ihrer Ausstellung fine people on both sides, and me. im NAK Neuer Aachener Kunstverein ertastet Korbach die Implikationen ihrer Selbstverortung auf dem politischen Spektrum. Sie war schon immer links, aber nicht so links, dass sie in ihrer Jugend auch nur eine Kartoffel in den Auspuff irgendeiner schicken Karre gequetscht hätte. Jetzt würde sie ganz gern mal wem aufs Maul geben. Oder glaubt, sie sollte mal wem aufs Maul geben. Oder glaubt, sie sollte mal wem aufs Maul geben wollen. Dabei hätte sie eigentlich auch gern ihre Ruhe.

»Ich stelle es mir befriedigend vor, jemanden krankenhausreif zu schlagen.« Die Fantasie hat Korbach jedenfalls schon mal fixiert. Vielleicht gilt es, prophylaktisch Rechte zu traktieren, bevor sie weiter verletzen, wen sie als Mensch nicht gelten lassen wollen. Vielleicht sind ein paar brennende SUVs das Signal, das es braucht, um eine verlautbare Mehrheit für den Klassenkampf zu mobilisieren. Vielleicht muss man Gewalt ausprobiert haben, bevor man sie kategorisch ablehnen kann.

Wer in seiner Jugend keinen Mercedes-Stern abgetreten hat, wird allerdings den Verstand im Erwachsenenalter ordentlich gängeln müssen, um die verspätete Linksradikalisierung im justiziablen Bereich zu erproben. #partywennhelmutkohlstirbt lol, gern auch Spott über den Unfalltod österreichischer Rechtspopulisten. Aber wirklich mitten in die Fresse rein? Möglich, dass man für so viel Radikalität dann doch irgendwann zu alt ist.

Von der Seitenlinie aus tritt Korbach an ein politisches Spielfeld heran, auf dem das Faustrecht die Debatte ersetzen soll. Die linksradikale Cheerleaderin ist bereit, sich auf ihre Gegner zu stürzen – zumindest in der Theorie. Praktisch ist sie gehemmt, weil sie ahnt, dass sie echtes Bedroht-Sein auch dann nicht nachfühlen wird, wenn sie gehörig eine kassiert hat. In Leid kann man sich nicht einschreiben. Wütende Prügel und Tränen der Betroffenheit sind als defizitäre Ausdrucksmittel aufrichtiger Anteilnahme gewissermaßen artverwandt.

Im NAK Neuer Aachener Kunstverein nuanciert Korbach Aggression mit dem Wunsch nach Heilung. Apotheken- Zeichen lancieren Sehnsucht nach Kritik und Kampf – aber bitte ohne Schmerzen, nach einer Welt, in der Ambiguitätstoleranz nicht im Verdacht steht, Rückratlosigkeit zu maskieren, in der Gewalt keine Facette von Haltung sein muss und in der die Würde des Menschen nicht permanent angegrabbelt wird, während doch eigentlich alle mit beiden Beinen auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung herumstehen.

Wie endlich Ruhe im Karton? Kann man da noch ins Gespräch kommen oder muss es erst knallen? Zwischen den Zeilen gibt Jody Korbach in ihrer Ausstellung ein paar Antworten. Was nicht heißt, dass die auch richtig sein müssen.
Anna Meinecke, Journalistin

Jody Korbach (*1991, Bielefeld) studierte an der Kunstakademie Düsseldorf bei Tal R, Christopher Williams und Johannes Paul Raether. Im Jahr 2017 schloss sie ihr Studium als Meisterschülerin von Christopher Williams ab. Ab dem Wintersemester 2023/24 ist sie Professorin für Kunst und Kunstpädagogik an der Akademie der bildenden Künste Nürnberg. Korbach lebt und arbeitet in Düsseldorf.

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