Der Schatz des Prager Veitsdoms im Dialog mit Edmund de Waal, Josef Koudelka und Julian Rosefeldt

Menschen sind Wesen, die glauben und sich erinnern – sie sind geschichtsbewusste Wesen. Das ist der zentrale Unterschied zur übrigen Natur: Aus Glauben und Erinnerung schafft er sich ein Geschichtsbild, das sein Handeln in der jeweiligen Gegenwart beeinflusst. Die Ausstellung kombiniert Werk- und Themenkomplexe, die Glauben und Kulturen, aber auch das Erinnern und Festhalten von Erinnerung aufgreifen. Dabei erweitert sie in vielerlei Hinsicht die Sammlung an Juwelier- und Goldschmiedekunst aus dem Grünen Gewölbe im Dresdner Residenzschloss.

Im Zentrum steht der über Jahrhunderte gewachsene Reliquienschatz des Prager Veitsdoms – eine der bedeutsamsten Sammlungen von Belegstücken des christlichen Glaubens, – die als heilig und wunderwirkend verehrt wurde. Er ist Zeugnis der Ursprünge sowie des Fortbestehens einer der wirkungsreichsten religiösen Bewegungen in der Geschichte der Menschheit, des Christentums. Insbesondere in der christlich grundierten, mittelalterlichen Gesellschaft haben Reliquiensammlungen immer auch eine politische Dimension und nahmen so eine zentrale Funktion für die böhmischen Herrscher ein. Die Ausstellung präsentiert diesen Schatz anhand 125 mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Stücke zum ersten Mal in seiner Geschichte außerhalb seines ursprünglichen Bestimmungsortes.

Darüber hinaus eröffnen drei zeitgenössische Künstler mit ihren unterschiedlichen künstlerischen und intellektuellen Ansätzen zusätzliche Perspektiven, die das Thema des zivilisatorischen Gedächtnisses vertiefen.

Edmund de Waal

Das Werk des Künstlers Edmund de Waal (*1964) entsagt sich dem Gebrauchswert der Keramik und schafft stattdessen sakralisierte Räume für Meditation und Reflexion. Objekte werden als Fenster zu Geschichten begriffen, die es nicht zu vergessen gilt. Er aktiviert auf diese Weise Gegenstände, Gebäude und Orte in dem beständigen Bemühen, die Zeit anzuhalten oder zumindest Fragmente früherer Erinnerungen zu bewahren. Ausgehend von der Geschichte seiner eigenen Familie mütterlicherseits, erzählt de Waal in seinen Kunstwerken außerdem die tragischen Schicksale der großen jüdischen Familien.

Josef Koudelka

Großformatige Fotografien von Josef Koudelka (*1938) bilden dazu einen rauen Kontrast. Sie zeigen die Wirklichkeit der durch die Errichtung der Mauer zwischen Israel und der palästinensischen Westbank zerschnittenen Landschaften – eben jener Region, in der die drei großen monotheistischen Weltreligionen ihre Wurzeln und sakralen Stätten haben. Die Bilder entstanden zwischen 2008 und 2012. Geprägt von seinen persönlichen Erfahrungen hinter dem »Eisernen Vorhang« wird Koudelka zu einem ebenso aufmerksamen wie kritischen Beobachter, der Zeugnis ablegt vom Schmerz dessen, was im so genannten Heiligen Land geschehen ist und geschieht.

Julian Rosefeldt

Der Film »In the Land of Drought« von Julian Rosefeldt (*1964) verwendet verlassene Filmkulissen, um Erinnerungen an die biblische Vorgeschichte und die Geschichte der Menschheit, vor allem im Nahen Osten und in Nordafrika, wachzurufen: das alte Ägypten, der Tempel von Jerusalem, Kreuzritterburgen und arabische Schlösser. Außerdem wendet sich der Film den realen Spuren der industriellen Vergangenheit Mitteleuropas zu. Große Krater und verlassene Industriemaschinen prägen heute die zerstörten Landschaften. Es sind die Fragmente einer großen Errungenschaft der menschlichen Zivilisation, die gleichzeitig den Anfang ihres Endes markierte. Die Apokalypse war menschengemacht und jetzt begutachten wir, was übrig geblieben ist.

Jahna Dahms

Ab dem 15. Mai wird die Ausstellung durch eine künstlerische Intervention der Dresdner Künstlerin Jahna Dahms (*1972) erweitert. In ihrer Arbeit RELICS untersucht die Künstlerin universelle Formen des Goldes, die über Epochen und Kulturen hinaus bestehen. Diese Formen symbolisierten Macht, Schönheit und das Göttliche. Erstaunlicherweise finden sie sich heute in Styroporverpackungen wieder. Durch die Vergoldung des Styropors werden die visuellen Parallelen sichtbar und RELICS erzählt so von einer tiefen Verankerung sakraler Goldformen im kulturellen Gedächtnis der Menschheit.

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