Der Zyklus »Los Disparates«
Disparates oder Proverbios
Francisco de Goya (1746–1828) schuf die 22 rätselhaften Aquatinta-Radierungen des Zyklus Los Disparates (Torheiten, Absurditäten) zwischen 1815 und 1824. Es sind Höhepunkte seines Werks und der Geschichte graphischer Kunst überhaupt. Im Kupferstichkabinett des Herzog Anton Ulrich-Museums sind sie in hervorragenden Drucken vertreten. Goyas Ruf als »Prophet der Moderne« bezieht sich maßgeblich auf dieses Alterswerk. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die erste Ausgabe von 1864 (als Los Proverbios, Sprichwörter) und weitere 1877 publizierte Blätter der Folge. Ergänzend gezeigt werden ein seltener Probedruck sowie Beispiele aus Goyas vorangehenden Radierzyklen.
Heller Wahnsinn vor dunklem Grund
Der Zyklus konfrontiert mit aufwühlenden existentiellen Wahrheiten. In fantastisch-alptraumhaften Szenen voll bitterer Komik und zuweilen krasser Grausamkeit beschwört Goya die Vision – oder Realität? – einer der Unvernunft verfallenen Welt. Als Leitmotive erscheinen fließende Gegensätze von Mensch und Tier, Fesselung und Tanz, Maskerade und Enthüllung. Nicht zuletzt geht es um toxische Geschlechterverhältnisse.
Goyas Leben und seine Zeit
Goya wurde 1746 bei Saragossa geboren. 1770/71 reiste er nach Italien. In Madrid betrieb er seit 1774 seinen Aufstieg bis zum Mitglied der königlichen Akademie und zum Hofmaler dreier Könige. Seit 1793 vollkommen ertaubt, löste er sich zunehmend aus offiziellen Verpflichtungen. Vor der Bedrohung durch das reaktionäre Regime von Ferdinand VII. wich er 1824 ins Exil nach Bordeaux aus, wo er 1828 starb.
Der Maler als Radierer
Als leidenschaftlicher und innovativer Radierer nutzte Goya die Technik der in Frankreich in den 1760er Jahren entwickelten Aquatinta-Radierung. Sie ermöglichte ihm die Erschaffung dramatisch-malerischer Kompositionen vor Hintergründen kosmischer Düsternis. Die in die Ausstellung integrierte Veranschaulichung seiner graphischen Technik und seiner Bedeutung als Vorbild für aktuelles Kunstschaffen verdankt sich der Zusammenarbeit mit der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig (HBK), Werkstatt für Radierung.
Intensiv haben sich Studierende der HBK Braunschweig sowohl mit dem Leben und Schaffen Goyas als auch mit der altmeisterlichen Technik der Aquatinta-Radierung auseinandergesetzt. Die daraus entstandenen Radierungen zeigen in der Sprache der Künstler:innen neu interpretierte Elemente aus Goyas Sujet und setzen diese in einen zeitgenössischen Kontext. Insgesamt sind zehn Radierungen von folgenden Künstler:innen ausgestellt: Claudia Bartholomäus, Jan-Hendrik Brinkmann, Kayen Eggeling, Wiebke Fischer, Hyeona Kim, Anton Lonius, Tenange Mengesha, Maria Ondrej, Lilith Queisser und Judith Reiner.