Eine Ausstellung der Völkerkundesammlung Lübeck im St. Annen-Museum

Die neueste Ausstellung der Völkerkundesammlung widmet sich dem aktuellen Thema der Beziehungen Lübecks mit der Ukraine sowie Russland. Es wird ein zeitlicher Bogen vom Handel im Mittelalter bis hin zu den Erfahrungen ukrainischer Geflüchteter im heutigen Lübeck geschlagen. Zu sehen sind rund 150 zum Teil noch nie ausgestellte Exponate aus der Zeit zwischen dem 17. Jh. bis heute, mehrheitlich aus dem Bestand der Völkerkundesammlung. Ergänzt wird die Ausstellung durch Leihgaben aus dem St. Annen Museum, dem Buddenbrookhaus, dem Haus der Kulturen, der Archäologie, der Stadtbibliothek, dem Archiv der Hansestadt Lübeck sowie von Ukrainer:innen aus Lübeck und Umgebung. Begleitend zu der Sonderausstellung werden auch Exponate der Dauerausstellung des St. Annen-Museums mit neuen Beschriftungen versehen, um sie als Zeugnisse von Lübecks Ostbeziehungen neu zu erschließen.

Naturgemäß liegt das öffentliche Interesse aktuell auf der Ukraine. Jedoch kann die Geschichte jenes Landes, wie auch die der Lübecker Beziehungen zu Europas Osten, nicht ohne die Entwicklungen im Zarenreich und der Sowjetunion begriffen werden. Exemplarisch werden in der Ausstellung u.a. die Nowgorod-Fahrer der Hansezeit, Lübecks Rolle als Ausgangspunkt der Auswanderung der Wolgadeutschen zur Zeit Katharinas der Großen oder auch das Schicksal osteuropäischer Zwangsarbeiter:innen in Lübeck während des Zweiten Weltkriegs erwähnt. Dass auch die Ukraine bisweilen unsere Kultur prägte, ist weniger bekannt. Kaum jemand weiß etwa, dass das Verzieren von Ostereiern, das wir heute ganz selbstverständlich als deutsche Tradition ansehen, vor 1.000 Jahren in Kiew erfunden wurde.

Angesichts der engen Ostverbindungen Lübecks wundert es nicht, dass sich schon in der ältesten musealen Sammlung des Pastors Jakob von Melle (1659–1743) Exponate aus dem Zarenreich finden. Sie sind damals allerdings alle nur als „russisch“ katalogisiert worden und auch spätere Reisende und Sammler:innen taten sich schwer, die kulturelle Vielfalt des Zarenreiches und der Sowjetunion zu begreifen. Dank einer Förderung durch die Ernst von Siemens Kunststiftung konnte die ukrainische Wissenschaftlerin Margarita Mudritska mit der Erforschung dieser Exponate gewonnen werden. Sie ist nicht nur eine Textilexpertin, sondern auch eine Kennerin jüdischer Glaubenswelten. Letzteres kam ihr besonders zu Gute, stammen doch viele ukrainische Objekte der Völkerkundesammlung aus jüdischen Gemeinden in den Karpaten und wurden dort nur wenige Jahre vor Beginn des Holocaust von Julius Carlebach, Sohn des Lübecker Rabbiners Salomon Carlebach, gesammelt.

Neben der Erforschung dieser historischen Bestände wurde es zu einem wichtigen Anliegen, in dieser Ausstellung die Lebenserfahrungen einiger nach Lübeck geflüchteten Ukrainer:innen und ihre beruflichen sowie künstlerischen Beiträge zu unserer Stadtgesellschaft herauszustellen. In Kooperation mit diesen ukrainischen Partnerinnen und Partnern, dem Forum für Migrantinnen und Migranten der Hansestadt Lübeck und dem Haus der Kulturen ist so eine Ausstellung entstanden, die Vorurteile und Propaganda hinterfragt, die Schrecken des Krieges nicht ignoriert und vor allen Dingen den kulturellen Reichtum der Ukraine einer breiten Öffentlichkeit verständlich machen will.

Teile diese Veranstaltung
Details der Veranstaltung
Kommentar schreiben

Details der Veranstaltung