Im Februar 2024 präsentiert das Haus am Waldsee zwei parallel stattfindende Ausstellungen der amerikanischen Künstlerin Jenna Bliss (*1984 New York) und der schottischen Malerin Carol Rhodes (*1959 Edinburgh; † 2018 Glasgow). Die Verwendung zeitlich oder räumlich distanzierter Perspektiven, die neue Blickwinkel auf etablierte Narrative erlauben, sind prägend für das Schaffen beider Künstlerinnen. Indem alltägliche Beobachtungen, Spekulationen und akribische Recherchen miteinander verbunden werden, bilden die beiden Ausstellungen einen Raum, in dem Fakt und Fiktion aufeinandertreffen und die größere Tragweite struktureller menschlicher Eingriffe erfahrbar wird.
Seit Jahren beschäftigt sich die US-amerikanische Künstlerin und Filmemacherin Jenna Bliss mit den politischen Dimensionen, die unserer Art zu sehen und zu erzählen innewohnen. Bliss arbeitet in ihrer Kunst vorrangig mit Filmen, Fotografien, Skulpturen und Collagen. Ihre Arbeiten sind von detaillierten Recherchen über oft unbeachtete und randständige Themen geprägt, die dennoch wichtige weltpolitische Ereignisse reflektieren. Mittels künstlerischer Forschung und intuitiver Assoziationen durchforstet Bliss dabei kollektive Erinnerungen, hinterfragt gängige Annahmen und erweitert so ein offizielles Narrativ. Für ihre erste institutionelle Ausstellung in Deutschland vereint sie zwei ihrer jüngsten Projekte, die Teil einer Serie von Arbeiten sind, die sich mit der jüngeren Historie der Wall Street und den weitreichenden Folgen hochriskanter Finanzspekulation beschäftigen. Die Ausstellung versammelt die beiden ersten Werke dieser Reihe, die sich mit dem 11. September 2001 und dem Finanzcrash von 2008 befassen.
Carol Rhodes widmete sich in ihrem Werk vor allem Landschaften, die gemeinhin wenig Beachtung finden: postindustrielle Gebiete durchzogen von Industrieanlagen, Flughäfen, Autobahnen oder Stauseen, die den unaufhaltsamen Fluss von Material und Arbeit ins Bewusstsein rufen. Menschliche Aktivität ist in ihren Bildern allgegenwärtig, der Mensch selbst hingegen nicht auffindbar. Dieses Schwanken zwischen einer diffusen An- und Abwesenheit, zwischen dem vermeintlich Erkennbaren sowie dem Abstrakten ist charakteristisch für die Malerei der Künstlerin. Ihre Bilder gründen auf Erfahrungen und Eindrücken in der realen Welt, sind jedoch fiktive Synthesen, die sich aus unterschiedlichen Quellen zusammensetzen. Neben Landkarten, Umweltstudien, oder Fotografien, die sie in Büchern zu Stadtplanung, Geografie oder Geologie vorfand, bezog sie auch eigene Bilder ein, die sie mitunter aus Helikoptern oder Flugzeugen selbst mit der Kamera aufnahm.