Das Ludwig Forum Aachen freut sich, mit Ooooooooo-pus die erste Überblicksausstellung von Katalin Ladik (geb. 1942 in Novi Sad) in Europa zu präsentieren. Ausgehend von dem anhaltenden Interesse der Künstlerin an Sprache, Sound und Körperlichkeit, gibt die Ausstellung erstmals einen umfassenden Einblick in ihre Arbeiten von den späten 1960er Jahren bis heute. Mit ihrer radikalen Herangehensweise an (Klang-)Poesie und Performance etablierte Ladik sich im Verlauf der 1960er und 1970er Jahre als eine der wenigen weiblichen Protagonist:innen der künstlerischen Avantgarde im ehemaligen Jugoslawien. Der mehrsprachige und multiethnische Kontext ihres Geburtsortes Novi Sad (heute Serbien) prägt ihren Zugang zu Sprache und Poesie bis heute. Ihr Interesse an der Auflösung von Sprache in einzelne Phoneme sowie der daraus resultierende Klang ihrer Kompositionen bilden das verbindende Element, das die vielseitigen Collagen, Textilarbeiten, Fotografien, Performances und Objekte der Künstlerin durch die außergewöhnliche Bandbreite ihrer Stimme zusammenführt.
Im Verlauf der 1960er Jahre entwickelt Katalin Ladik zunächst ein ausgeprägtes Interesse an Sprache als Gegenstand und beginnt insbesondere die visuellen und phonetischen Dimensionen ihrer Gedichte in den Vordergrund zu rücken. Der Tradition der konkreten Poesie folgend, experimentiert sie mit dem Erscheinungsbild von einzelnen Wörtern, Buchstaben und Satzzeichen, um visuelle und klangliche Qualitäten von Sprache zu untersuchen. Diese Arbeiten werden zu Beginn der Ausstellung gemeinsam mit dreißig collagierten Papierarbeiten, ihre sogenannten visuellen Gedichte, aus den 1970er Jahren präsentiert. Es handelt sich dabei um Bild-Textcollagen aus gefundenen Materialien wie Zeitungsausschnitte, Schnittmuster und Notenpapiere, die der Künstlerin immer auch als musikalische Partituren dienen, die sie mit ihrer Stimme vertont. Die Titel dieser laufenden Serie verweisen auf wesentliche Arbeitsfelder Ladiks, die sich bis heute durch ihre künstlerische Arbeit ziehen: YU HYMN (1975), Polish Folksong [Polnisches Volkslied] (1978) oder Chanson en Rouge [Lied in Rot] (1974) verdeutlichen beispielsweise ihr Interesse an der Auseinandersetzung mit Folklore und nationaler Identität im Zusammenhang mit Musik und musikalischen Genres, während der Einsatz von Strick- und Nähmustern in March of the Partizan Woman [Marsch der Partisanen- Frau] (1979) oder Die Frauen (1978) Ladiks kritische Befragung von tradierten Frauen- und Rollenbildern freilegt – Aspekte, die auch in ihrem späteren Schaffen immer wieder zum Tragen kommen.
Einen weiteren Schwerpunkt der Ausstellung bilden die kollaborativen Arbeiten der Künstlerin, wie etwa der disziplinenübergreifende Experimentalfilm O-pus (1972), der in Zusammenarbeit mit den Künstlern Attila Csernik und Imre Póth entstand. Ausgehend von dem Buchstaben und Phonem »O«, der als Hauptmotiv des Filmes dient, erforschen die Künstler:innen mit O-pus die Beziehung zwischen visuellen Effekten und deren Spiegelungen im Klang. Fotografien und Ephemera zu konzeptuellen Arbeiten wie Change Art [Die Kunst der (Ver-)änderung] (1975) belegen darüber hinaus Ladiks wachsendes Interesse an partizipativen Praktiken und Happenings. Als Teil der einflussreichen Bosch+Bosch Künstler:innengruppe (1969–1976), der sie ab 1973 angehörte, nahm sie eine wichtige Rolle innerhalb der »Neuen Kunstpraxis« (1966–1978) ein – einer künstlerischen Bewegung, die aus einem Netzwerk miteinander verbundener Kunstinitiativen in Jugoslawien hervorging und sich durch einen breiten konzeptionellen Ansatz auszeichnete, der oftmals in kollektiven Aktionen Ausdruck fand.
Etwa zeitgleich, ab 1970, beginnt sie ihre Poesie anhand von Instrumenten und choreografierten Bewegungsabläufen, als Erweiterung ihrer Stimme und Sprache, vor Publikum zu interpretieren. Diese improvisierte Rezitation von Gedichten wurde – wie etwa in ihrer fotografisch dokumentierten Performance Schamanengesang (1970) – oftmals in Form eines Rituals aufgeführt. In den Folgejahren inszeniert sie zahlreiche Foto-Performances für die Kamera, um weit verbreitete Repräsentationen weiblicher Körper und die mit Schönheitsidealen verbundenen Stigmata kritisch zu befragen. Das großformatige Triptychon Androgin (1978) markiert zudem Ladiks Interesse am Konzept von Androgynität – eine Denkfigur, die ihren Ursprung in der griechischen Mythologie hat und der Künstlerin als konzeptuelles Werkzeug dient, um Geschlechterhierarchien aufzulösen. Diese Auseinandersetzung mit feministischen Fragestellungen und mythologischen Narrativen setzt sich in ihren jüngsten Arbeiten fort. Während Collagen und Schaltplatinen-Partituren der letzten Jahre an Ladiks visuelle Gedichte der 1970er Jahre anschließen, übersetzen Textilpartituren wie Follow Me Into Mythology [Folge mit in die Mythologie] (2017) oder The Song of Circe [Das Lied von Circe] (2017) die ausgeschnittenen Näh- und Schnittmuster ihrer Collagen durch tatsächliche Nähte und Stiche in den Raum.
In Ooooooooo-pus verbinden sich die Vertonungen der visuellen Poesie von Katalin Ladik in Form von Collagen, Fotografien, Objekten und Textilarbeiten zu einer eigenständigen Klanglandschaft, die von der Stimme der Künstlerin getragen wird. Der Titel geht zurück auf ihre Vinylschrift-Partitur Ooooooooo-pus (2023), die eigens für die Ausstellung entstand und im Laufe der Ausstellung durch Ladik aktiviert wird.
Kuratiert für das Ludwig Forum Aachen von Fanny Hauser und Hendrik Folkerts
Ausstellungsgestaltung: Studio Manuel Raeder mit Rodolfo Samperio
Grafische Gestaltung: Bardhi Haliti
Die Ausstellung wurde organisiert in Kooperation mit dem Moderna Museet, Stockholm, und dem Haus der Kunst München.
Mit Dank an Róna Kopeczky (acb Gallery), Sarah Johanna Theurer (Haus der Kunst München) und die Aachener Papprohrfabrik.