Jorge Queiroz | Andreas Eriksson |Aelita le Quément

In einem Ausstellungstrialog zeigt das Kunsthaus Kaufbeuren Werke des portugiesischen Künstlers Jorge Queiroz, des Schweden Andreas Eriksson und der jungen französischen Malerin Aelita le Quément. Erstmals im süddeutschen Raum wird das Schaffen der drei Künstler:innen institutionell und damit einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Einige der Werke entstanden eigens für die Ausstellung in Kaufbeuren.

Eine wesentliche Verbindung aller drei Künstler:innen findet sich im Umgang mit »Liminalität« als einem zentralen Aspekt innerhalb des jeweiligen Schaffens. Seit der Prägung des Begriffs der Liminalität in den frühen sechziger Jahren wurde dieser in verschiedenen Forschungsfeldern immer wieder diskutiert. Allgemein dient er zur Beschreibung eines Übergangs, eines mehrdeutigen bzw. auch eines Schwellenzustandes und bezieht sich auf unterschiedliche Bereiche, etwa auf die Soziologie und dort insbesondere auf die Ritualforschung. In der bildenden Kunst stellt das Prinzip eines liminalen Transformationsraumes einen der interessantesten und vielseitigsten Ansätze dar, um eine spezifische Art der Abstrahierung eines Zustands und seiner bildlichen Darstellung zu vermitteln.

Die Bilder von Jorge Queiroz (*1966, Lissabon) sind schwer zu beschreiben. Natürlich sind sie sichtbar, visuell erfassbar, aber sie entziehen sich zugleich ins Ungefähre. Sie treffen keinerlei explizite Aussagen, die sich benennen ließen. Sie zeigen keine Idyllen, erzählen keine Geschichten, wollen keine politischen Statements sein. Was sich dem Betrachter darbietet, ist weder Wirklichkeit noch Traum. – Kohärent sind Queiroz‘ Bilder in ihrem Beinahe, in ihrem Spiel mit dem Unergründlichen, ihrem Dazwischen im liminalen Raum der Malerei, der sich in jedem seiner Werke öffnet. Wie ein Alchimist gebraucht Queiroz für seine Art der Welterzeugung die ganze Palette an Techniken und Material, von Gouache bis Öl, von Tusche bis Acryl, von Bleistift bis Pastell, auf Leinwand, Papier oder als Collage.
Dennoch überlässt Queiroz beim kreativen Prozess der Bildproduktion wenig dem Zufall. In diesen Wimmelbildern fließt nichts ungefiltert aus dem Unbewussten auf die Leinwand. Im Gegenteil. »Ich muss arbeiten, um über meine Arbeit nachzudenken«, so der Künstler. Und er präzisiert diesen Denkprozess, den er als eine Art Inszenierung begreift: Die Figuren gehen in seinem Kopf ein und aus, haben ihre Auftritte und Abgänge wie auf einer Bühne. Die Leinwand wird so lediglich zu einem externen Bühnenprospekt seines Hirntheaters. So erschafft der Maler sein ganz eigenes Universum aus Drachen, Gesichtern, Händen mit amputierten Fingern und schwarzen Löchern, aus Menschen, in deren Köpfen Menschen hausen, aus Zyklopinnen, Kaskaden, Tintenfischen. Der Akt des Malens wird bei Queiroz zur Entfesselung von Dämonen.

Die Gemälde, Webarbeiten, Zeichnungen und Skulpturen Andreas Erikssons (*1975, Björsäter) zeugen von feinen, sich ständig weiterentwickelnden Spürungen für subtile Phänomene der Natur. Dabei ist Erikssons Verbindung mit der Natur zutiefst emotional: Seine Werke evozieren in der Schwebe zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion das kontemplative, doch gleichermaßen detailbezogene Betrachten seiner nächsten Umgebung und vermitteln ein geradezu romantisches Bedürfnis des Künstlers nach Entschleunigung. In einer reflektierten und meditativen Praxis schafft er Aufzeichnungen, die sich auf der Schwelle zwischen kalkulierter und improvisierter Geste bewegen. – In einem lauten, nach Sensationen gierenden Kunstbetrieb wirken die Werke Andreas Erikssons wie ein poetisch-stiller Gegenpol. Anders als bei Jorge Queiroz und Aelita le Quément ist Erikssons bildnerisches Schaffen weniger von Impulsivität geleitet; es unterliegt vielmehr einem kontrollierten und intensiv reflektierten Arbeitsprozess.
Zur Genese seines künstlerischen Kosmos birgt die Betrachtung der Natur, insbesondere der Landschaft mit all ihren Details und atmosphärischen Nuancen, für Eriksson einen unendlichen Fundus, aus dem er für seine Bildsprache schöpft. Das Sichtbare wird zerlegt, als Zitat neu angeordnet und durch Abstrahieren, Verfremden und Transformieren zur Kunst erhoben. Abstraktion und Figuration, Schweres und Leichtes, Innen und Außen, Konkretes und Geheimnisvolles oder Illusion und Realität ergänzen sich sowohl im Prozess als auch im Resultat.

In einer malerischen Synthese verschmilzt Aelita le Quément (*1999, Saint-Cloud Île-de-France) geschickt Einflüsse verschiedener Strömungen und Malstile, etwa des Impressionismus, des Expressionismus und des Surrealismus. Doch abseits aller -Ismen entwickelt sie daraus eine ungewöhnliche, ganz eigene Bildsprache. Abgründig, doch oft ungeheuer humorvoll, doppelbödig und bisweilen albtraumhaft erscheinen die Geschichten, die sich in ihren Bildern entfalten. Mannigfaltige Ansätze zur Entschlüsselung der Inhalte werden bildnerisch dargeboten, gleichzeitig werfen le Quéments Werke mehr Fragen auf, als sie Antworten liefern wollen.
Le Quéments kreativer Antrieb entspringt einem tiefen Interesse der Künstlerin an der Erforschung von Geschlechtsidentität, bzw. Geschlechtsdysphorie, existenzieller Unsicherheiten und kognitiver Prozesse. Immer wieder sind es starke Emotionen und Impulse, wie etwa Zorn, Ängste vor Alter, Krankheit und spiritueller Trostlosigkeit, gesellschaftliche Ablehnung, Reaktionen auf negative Körperbilder, die Auswirkungen illusorischer Täuschung durch Eitelkeit, oder aber die berauschende Euphorie neu entdeckter Liebe, die in ihre Gemälde einfließen.
Im Mittelpunkt der Bilder le Quéments stehen meist wenige Protagonisten in skurrilen Umgebungen, entweder als aktiv handelnde oder passive, unterworfene Figuren – oft in verzerrten Posen oder in Rückenansicht –, deren Präsenz Ausgangspunkt und treibende Kraft für die sich entfaltende Erzählung bildet. Mit den Mitteln der Verfremdung und der Überlagerung verschiedener Malschichten verwischt die Künstlerin die Grenzen zwischen Subjekt und Umgebung, schildert Situationen und deutet Geschichten an, die stets mehrdeutig bleiben. In einem Schwebezustand sind Aelita le Quéments Bildfiguren ihren Impulsen und subjektiven Spürungen einerseits und unkontrollierbaren äußeren Einflüssen andererseits ausgesetzt.

Eine umfangreiche, zweisprachige Publikation (dt./engl.) begleitet die Ausstellung, dokumentiert die aktuelle Produktion der drei Künstler:innen und vermittelt gleichzeitig einen Überblick über das jeweilige Schaffen.

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