Für Ihre letzte Ausstellung im Franz Marc Museum hat die Anfang Mai 2024 ausscheidende Direktorin, Cathrin Klingsöhr- Leroy, drei Kolleginnen und Freundinnen zu einem gemeinsamen Projekt eingeladen.
Die Künstlerin Karin Kneffel, die Romanistin Barbara Vinken und die Kunsthistorikerinnen Cathrin Klingsöhr-Leroy und Juli Voss werfen einen neuen Blick auf die Sammlung des Franz Marc Museums und ermöglichen ungewohnte Perspektiven auf vermeintlich bekannte Werke des Blauen Reiters und der Brücke.
Karin Kneffel – Face of a Women, Head of a Child
Die Künstlerin Karin Kneffel inszeniert Bilder aus ihrer seit 2005 entstehenden Serie Face of a Woman, Head of a Child und kombiniert diese mit Darstellungen von Mutter und Kind aus der Zeit des Expressionismus: u.a. mit Bildern und Skulpturen von Wilhelm Lehmbruck, Paula Moderson-Becker, Max Beckmann, Franz Marc, Otto Müller. Wie hat sich das Bild der Madonna mit dem Christuskind, die Darstellung von Mutter und Kind im Laufe der Jahrhunderte verändert? Und wie wird es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gedeutet und welche Vorstellungen transportiert es?
Barbara Vinken – Ver-Kleidet
Die Literaturwissenschaftlerin, Gender – und Modeforscherin Barbara Vinken kommentiert Werke von Else Lasker-Schüler, Otto Dix, Alexej von Jawlensky und weiterer Künstler vor dem Hintergrund ihrer aktuellen Publikationen zum subversiven Charakter der Mode seit der französischen Revolution. So ist zum Beispiel die androgyne Selbstdarstellung von Else Lasker- Schüler, die sich in orientalischen Gewändern als Prinz Jussuf präsentiert, nicht nur eine Strategie zum vielbeachteten Auftritt in der männlich beherrschten Kunstwelt, sondern auch eine Attitude, die sich in zeitgleichen Schöpfungen des Couturiers Paul Poiret spiegelt. Seine Nachmittagskleider der 10er Jahre waren Kreationen im orientalischen Stil mit Pluderhosen für die Dame.
Julia Voss – Seelenwanderung
Die Kunsthistorikerin Julia Voss und Kennerin des Werks der schwedischen Malerin Hilma af Klint, stellt Aquarelle dieser Künstlerin Bildern von Wassily Kandinsky gegenüber. Beide waren zur gleichen Zeit, um 1910, Vorreiter auf dem Weg in die abstrakte Malerei. Vielleicht sind sie sich 1916 in Stockholm, als Kandinsky dort ausstellte, begegnet.. Beide verband die Überzeugung von der Kraft des Geistigen und der seelischen Bewegung als Quelle der Kunstproduktion und Kunstrezeption. In einem berühmten Text schrieb Kandinsky: »Im allgemeinen ist also die Farbe ein Mittel, einen direkten Einfluss auf die Seele auszuüben. Die Farbe ist die Taste. Das Auge ist der Hammer. Die Seele ist das Klavier mit vielen Saiten. Der Künstler ist die Hand, die durch diese oder jene Taste zweckmäßig die menschliche Seele in Vibration bringt.«
Cathrin Klingsöhr-Leroy – Wachstum der Nachtpflanzen
Haben Pflanzen eine Seele? Erst in neuerer Zeit scheint eine solche Frage nicht mehr absurd und inzwischen ist sie Teil unserer Vorstellungswelt. Die Direktorin des Franz Marc Museums gestaltet im Rahmen der Ausstellung einen Raum zur Spiritualität der Pflanzen und hat dafür Künstlerinnen und Künstler ausgewählt, die Pflanzen eine besondere Energie und Spiritualität zuschreiben. Im Zentrum steht eine Arbeit von Wolfgang Laib, ein zylinderförmiger kleiner Berg aus Haselnußpollen im Dialog mit einem Gemälde von Paul Klee, Wachstum der Nachtpflanzen. Diese Werke, so wie die kalligraphischen Baumbilder von Leiko Ikemura, die Zeichnungen von Joseph Beuys, die Naturnotizen von Peter Handke oder die plastischen Naturstudien von Anna Moll zeigen einen achtsamen Blick auf die Pflanzen, im Bewusstsein ihrer besonderen Ausstrahlung.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.