Der Badische Kunstverein zeigt die erste Einzelausstellung von Netta Weiser (*1991) in Deutschland. Die Künstlerin arbeitet an der Schnittstelle von Choreografie, experimentellem Radio, Sound Art und Performance. Die performative Sound-Ausstellung Radio-Choreography: Acts of Transmission lädt die Besucher:innen ein, ihre Sinne zu re-kalibrieren und dem Tanz und den Erinnerungen des diasporischen Körpers zuzuhören.

Die Präsentation basiert auf Netta Weisers langfristiger künstlerischer Forschung Radio-Choreography, die 2019 in Zusammenarbeit mit einer internationalen Gruppe von Choreograf:innen, Forscher:innen, Sound- und Radiokünstler:innen initiiert wurde. Das Projekt erforscht die Transformation von Tanz in Klang, die Beziehungen zwischen Live-Radiosendungen und verstummten Geschichten sowie Akte des Zuhörens als Modi des Zusammenseins. Die früheren Phasen des Projekts untersuchten die öffentliche Sphäre des Radios als Archivraum und unsichtbare Bühne für den Tanz. Im Mittelpunkt stand die Gestaltung eines radiophonen Archivs von Tanzpraktiken, die von Choreografinnen in Zeiten von Migration und Grenzüberschreitung geschaffen wurden.
In der Kunstvereinsausstellung Radio-Choreography: Acts of Transmission erforscht Weiser den Körper als Archiv, als archäologischen Ort, und entfaltet dessen Fähigkeit eine Vielzahl von Zeitlichkeiten und Wissensformen zu umfassen. Sie fragt: Wie können wir den zum Schweigen gebrachten Geschichten zuhören, die wir in unseren Körpern tragen?

Im Zentrum der Ausstellung steht eine dreiteilige Klanginstallation, die die Übersetzung choreografischer Praxis in eine mehrkanalige Klangerfahrung untersucht. Diese Arbeit ist das Ergebnis verschiedener Formen der Zusammenarbeit: Ein Dialog mit der Choreografin Shira Eviatar führt zu einer klanglichen Neuinterpretation von Festtänzen, die sie von ihrer jüdisch-marokkanischen Großmutter geerbt hat. In Zusammenarbeit mit der Forscherin und Sängerin Vanessa Paloma Elbaz von der Universität Cambridge wird eine Sammlung von Archivaufnahmen von Fruchtbarkeitssegnungen in jüdisch-arabischer Sprache zum Leben erweckt. Eine Kollaboration mit der ägyptischen Choreografin, Performerin und Schriftstellerin Nora Amin führt zur Entwicklung einer choreografisch-poetischen Schreibmethode, die somatische Praxis mit dem kollektiven Schreiben von biografischen Körpererinnerungen verbindet.

Während der Dauer der Ausstellung wird die Installation durch eine Reihe von performativen Interventionen, Live-Radiosendungen, Workshops und Listening Acts aktiviert. Dabei spielt die Ausweitung des Projektes vom Ausstellungsraum in den öffentlichen Raum eine wichtige Rolle. Einige der Veranstaltungen finden direkt im Stadtraum von Karlsruhe statt, wie unter anderem: Ein Public Listening Event der aus Athen übertragenen Radio (non)Conference, ein Workshop gemeinsam mit Studierenden der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe (HfG) und Live-Radiosendungen, die vom lokalen Radiosender Querfunk übertragen werden. Die Ausstellung beansprucht neue Resonanzräume für vergangene Tanz- und Heilungspraktiken, sucht nach Frequenzen für kollaboratives Überleben und schreibt die Geschichte weiblicher jüdisch-muslimischer Solidarität neu.

Initiiert von Mira Hirtz, kuratiert von Anja Casser

In Zusammenarbeit mit Nora Amin, Vanessa Paloma Elbaz, Shira Eviatar, Giovanni Verga, Annett Hardegen.

Eröffnung: Donnerstag, 20. Juni 2024, 19 Uhr

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