»There has never been so much talk about the ›planet‹, the ›climate‹, the ›global environment‹, as at the very moment when we find ourselves locked in the smallest of worlds, the world of engineers. Never has there been so much talk about ›climate diplomacy‹ as when everything is being judged by calculations and algorithms. […]

[…] We are left gazing at screens to contemplate the disaster. And our eyes weep. The devastation of the world has become an object that we watch from ›above‹, from our satellites. In any case, we are strangers to it. Cut off from the sensuous world. […]

[…] Moreover, what do we see from so high up, via these satellite data-feeds? Not a forest full of life, that’s for sure, nor the profusion of plants, nor the teeming life of the soil. […]

[…] In the new religion of ›green energy‹ and smart grids, the authorities claim to be working towards the goal of survival, but it is nothing other than even tighter control of the population. More smart meters, connected objects and sensors. This is the idea of governmental power: predicting everything, calculating everything – in other words, reducing everything to economics. Starting from where we are living, and where we are struggling, what we are gambling on is the radical opposite. Not everything is calculable, not everything is economics. There are beings and things on all sides that resist this total equivalence. Living forces that can no longer stand this existential eradication.«
(Jean-Baptiste Vidalou, We Are Forests. Inhabiting Territories in Struggle, 2023)

Die Ausstellung von Nicolás Paris zeigt erstmals Werke des kolumbianischen Künstlers in einer deutschen Institution. Sein Werk ist ein poetischer Widerstand gegen Konventionen, Regeln und eingefahrene Überzeugungen. Seine Arbeitsmethode, die hauptsächlich auf dem Akt des Zeichnens, des Dialogs und der Architektur basiert, zielt darauf ab, offene und experimentelle Lernprozesse zu initiieren, um Wissen zu produzieren und auszutauschen und neue Wege des Zusammenseins zu finden. Er setzt pädagogische Taktiken im Ausstellungskontext ein, um eine kollaborative, ergebnisoffene Forschung mit den teilnehmenden Betrachter:innen in laborähnlichen Umgebungen zu fördern. In diesem Prozess verwandelt Paris den Ausstellungsraum in einen Ort des egalitären, gemeinschaftlichen und forschenden Austauschs und Dialogs, in dessen Mittelpunkt die kollektive Erfahrung steht. Hier wird eine weitere der grundlegenden Strategien von Paris deutlich: Beziehung und Dialog – zwischen Menschen, Tieren, Vögeln, Wolken, Pflanzen, Licht, …

Paris’ Installationen, Zeichnungen, Objekte, Workshops und Videos sowie seine kollaborativen pädagogischen Projekte zeichnen sich durch Zartheit und Stille aus. Paris verwandelt den Ausstellungsraum in einen Ort des Experiments. Hier wird das Denken als Übung betrachtet, während die Werkzeuge dazu dienen, Ideen zu formulieren. Es handelt sich nicht um bloße Darstellungstechniken, sondern um ein Denksystem, das den Austausch von Ansichten sowie ein Einfühlen ermöglicht, Vorgänge und Prozesse nachvollziebar macht. Für seine Arbeit lässt sich Paris von seinem Interesse an der Intelligenz der Natur leiten sowie einer Theorie, die auf dem Leben basiert und damit allen zugänglich ist.

In seiner immersiven Installation, die er für die Kunsthalle Münster kreiert, setzt sich Paris mit dem Wald als lebendigem System auseinander, das sich durch vielfältige Beziehungen und eine besondere Form des Miteinanders auszeichnet. Er überführt den Wald in eine Abstraktion, macht dessen Wissen, sicht-, hör- und spürbar. Zugleich nutzt er ihn als Denkmodell für ein symbiotisches Miteinander. Der Künstler begegnet unserem Verortetsein in der Welt und der Dringlichkeit, eine Verbindung mit der Umwelt einzugehen, um dem Moment voranschreitender Zerstörung und Ausbeutung von Mensch und Natur etwas entgegenzusetzen und die Entfremdung zu überwinden. Mit seinen Werken schafft er Möglichkeitsräume, erlaubt eine andere Betrachtung, kreiert ein Bewusstsein für fehlende Verbindungen zu unserer Umwelt. Er versucht jenem dekontextualisierten Wissen, bestehend aus Daten und Theorien, die der menschliche Körper nicht verarbeiten kann, bedeutungsvolle Erfahrungen entgegenzusetzen und damit jenem Defizit unserer Kultur zu begegnen. Damit schafft Paris ein Bewusstsein für ein mitfühlendes Netz von Beziehungen, indem er Interaktionen und Abhängigkeiten nachvollziehbar macht.

Nicolás Paris (geb. 1977 in Bogotá, Kolumbien) arbeitet vor allem in kollaborativen, interdisziplinären Projekten, die eng mit Fragen nach Bildung und pädagogischen Strategien verbunden sind. Seine künstlerische Praxis umfasst Zeichnungen, Videos, Workshops, Installationen, Objektkunst sowie Text und Performance. Dabei steht die Struktur von Klassenräumen und pädagogischen Konzepten im Fokus seiner Beschäftigung. Da Paris einige Jahre als Lehrer im ländlichen Kolumbien gearbeitet hat, ist Kunst für ihn eine Form der Auseinandersetzung, in der gemeinsam Erfahrungen gesammelt werden können. Seine Werke waren in zahlreichen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen: GovettBrewster Art Gallery, New Plymouth (2019), CaixaForum, Barcelona (2017), Galeria Luisa Strina, São Paulo (2018), Museu Berardo, Lissabon (2015), Kadist Art Foundation, Paris (2013), El Museo Del Barrio, New York (2019–2020), MACBA, Barcelona und XII Havana Biennial (2015), Grazer Kunstverein (2014), Manchester International Festival (2013), 54. Venedig Biennale (2011).

Kuratorin: Merle Radtke

Eröffnung: 30. August 2024, 18 Uhr

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