Nachdem das Stadtmuseum im November 2020 den umfangreichen analogen wie digitalen Bestand des Fotografen Ralf Emmerich in seine Sammlung Fotografie aufnehmen konnte, eröffnet diese Ausstellung nun einen ersten Blick auf das fotografische Werk des 1956 in Münster geborenen Fotografen. Anhand ausgewählter Arbeiten, die in über vierzig Jahren entstanden sind, können die Besucherinnen und Besucher Einblick in dieses Schaffen erhalten.
Nach dem Abbruch seines Studiums der Geografie an der Universität Münster entschied sich Ralf Emmerich 1978 für eine Fotografenausbildung und arbeitet seit 1986 als freiberuflicher Fotograf. Parallel zu seinem Beruf entwickelte er eigene Projekte, machte Reisen. Aus diesem großen Fundus musste eine Auswahl getroffen werden, gleichzeitig sollte aber eine Art »Lebenswerk« präsentiert werden. So umfasst die Ausstellung tatsächlich einen Zeitraum von 46 Jahren Fotografie. Die ältesten Bilder entstanden auf einer Reise in die Bretagne, die letzten Fotos erst vor einigen Monaten auf Rügen. Minimalistische Bilder von der Ostsee … Meer, Horizont, Wolken, ab und zu ein Schiff oder ein paar Vögel: Farbfotos von großer Brillianz und Schärfe.
Daneben gibt es eine größere Serie von Fotos des Wochenmarktes auf dem Domplatz in Münster, welchen Ralf Emmerich immer wieder besuchte und bis heute dort fotografiert. In der Ausstellung sind alte Schwarzweiß-Fotos zu sehen aus Zeiten mit Verkaufsständen, konstruiert aus Holzböcken und Planken für die Säcke mit Kartoffeln und das Gemüse der Bauern vor Ort. Das Geld der Kunden verschwand in alten Zigarrenkisten. Viele Münsteraner werden diese Bilder mit Wehmut und einem Lächeln in Augenschein nehmen und altbekannte Händler wiedersehen.
Den Großteil der Ausstellung macht die Reisefotografie aus. Es sind Bilder aus Burma, Syrien, Usbekistan, Frankreich, Kosovo, Israel/Palästina, Westafrika, Cabo Verde, Nicaragua zu sehen. Man wird nur selten »Sehenswürdigkeiten« zu Gesicht bekommen. Ralf Emmerich haben immer die Menschen interessiert. Die meisten Menschen, denen Ralf Emmerich auf seinen Reisen begegnete, schenkten ihm ihr Vertrauen. Es sind immer die sogenannten kleinen Leute, die in dieser Ausstellung ausdrucksstark, würdevoll und selbstbewusst auf die Besucherinnen und Besucher blicken.
Besonders wichtig waren dem Fotografen zwei Serien aus seiner Arbeit. Einmal die Porträts der Überlebenden des Holocaust aus Münster, die er Anfang des Jahrtausends in Zusammenarbeit mit der Villa ten Hompel und den Historikerinnen Gisela Möllenhoff und Rita Schlautmann-Overmeyer erarbeitete und verwirklichte. Die andere Serie wird hier zum ersten Mal überhaupt gezeigt. Es ist eine Serie von Fotos eines kleinen Mädchens, eine Zufallsbegegnung auf einem Schiff, 1979, bei der Überfahrt von Piräus nach Kreta … »meine erste Fotoserie überhaupt« … sagt der Fotograf … »sie entstand spontan und ohne darüber nachzudenken, wie ein magisches Geschenk«. Wahrscheinlich haben diese Bilder nur deshalb eine solch wunderbare Leichtigkeit und Unmittelbarkeit.
Die letzte Fotoserie entstand unter Corona-Bedingungen, eine Arbeit zum Thema Stille, streng konzeptionell. Die Arbeit speist sich aus dem reichhaltigen Archiv des Fotografen. Keines der Bilder wurde extra für diese Serie angefertigt. Sämtliche Bilder wurden einzig und allein zu diesem Thema aus dem Archiv gesucht und ursprünglich zu einem Buch zusammengestellt. Eine melancholische und meditative Arbeit.