Das Meer, ein Blick: An verschiedenen Stränden der Welt – in Polen, Großbritannien, der Ukraine, Kroatien, den USA – zeigt die Künstlerin Rineke Dijkstra (*1959) junge Menschen, die direkt in die Kamera schauen. Was wie ein Schnappschuss wirkt, sind komponierte Fotografien auf der Suche nach der Essenz des menschlichen Daseins: einfühlsame Begegnungen, mit denen die Künstlerin die Frage nach Authentizität und Wahrhaftigkeit in der Porträtfotografie aufwirft.

Das Städel Museum präsentiert in einer Einzelausstellung insgesamt 25 Arbeiten, davon 21 Bilder aus der Beach-Portraits-Serie, mit der Dijkstra international bekannt wurde und sich als eine der wichtigsten Fotografinnen der Gegenwartskunst etablierte. Erweitert wird die Ausstellung mit Werken der Streets-Serie sowie einem Selbstporträt der Künstlerin.

Der hohe Grad an Natürlichkeit in ihren Aufnahmen ist für Rineke Dijkstra von zentraler Bedeutung. In ihrem gesamten Werk nähert sie sich dem Wesen des Menschen, indem sie sein Porträt festhält. Unmittelbar vor den Beach Portraits entstand Dijkstras »Self-Portrait, Marnixbad, Netherlands, June 19, 1991«, das die Künstlerin nach einem anstrengenden Schwimmtraining zeigt und aus dem sich die Serie entwickelte. In der überwiegend zwischen 1992 und 1998 entstandenen Werkreihe verbindet Dijkstra die dargestellten Jugendlichen über Ländergrenzen hinweg durch eine immer gleiche Komposition.

Durch diese einzigartige Bildsprache, die kunsthistorische Bezüge auf Werke von Sandro Botticelli bis August Sander aufweist, werden die Fotografien zum Ausdruck einer zeitgeschichtlichen Beobachtung der Ära nach dem Kalten Krieg. Vor dem klaren, monochromen Hintergrund des Meeres, in Kontext wie Kleidung reduziert, liegt der Fokus ganz auf den Dargestellten, ihrem Wesen und ihrer jugendlichen Natürlichkeit, die sich in kleinsten Nuancen von Mimik und Haltung manifestieren – vor allem, wenn ihre Gefühlswelt trotz all ihrer Anstrengung doch spürbar wird. Dieses Moment macht die konzentrierten Aufnahmen ebenso zu zeitlosen Bildern, die das Menschsein verkörpern und in denen sich die zentralen Aspekte und Herausforderungen des Lebens bündeln: Unsicherheit, Neugier, Verletzlichkeit und die Suche nach der eigenen Identität.

Kuratorin
Maja Lisewski, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Sammlung Gegenwartskunst

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