»Humor, Ironie, Sex, menschliche Dummheit, Kommerz, Kunst und Politik sind zentrale Themen, denen ich nachgehe. Meine Arbeit wird kein Placebo für Traumata, Selbstfürsorge oder Heilung anbieten oder illusionäre Räume darstellen. Das überlasse ich anderen. Meine Hoffnung und mein vorrangiges Interesse ist es, Gelegenheit zum Nachdenken über den heutigen Stand einer Kultur zu geben, die ich in der Sprache der Malerei vermittle.« (Rochelle Feinstein)

Seit über 40 Jahren entwickelt die amerikanische Malerin Rochelle Feinstein ein Oeuvre, das abstrakte Malerei mit politischen, gesellschaftlichen und ökologischen Fragen infiltriert. In breitgefächerten, dabei thematisch miteinander verflochtenen Werkgruppen schneidet, verwandelt und rearrangiert Feinstein gestische Markierungen, um sie dann zu Gemälden zu collagieren; zudem schafft sie Skulpturen und Drucke aus alltäglichen Materialien. In Zeit im Bild zeigt sie eine Auswahl neu entstandener Arbeiten, die sich um die Frage drehen, wie sich Leinwand, Farbe und Geste mit den spezifischen persönlichen und öffentlichen Verhältnissen unserer Zeit verknüpfen lassen.

Bis zu ihrer kürzlichen Pensionierung war Feinstein Professorin für Malerei und Drucktechniken an der Yale School of Art. Ihre Werke setzen sich mit verschiedenen Formen der Abstraktion, wie dem Gitter oder der Farbfeldmalerei, auseinander und lassen gleichzeitig das Leben auf modernistische Vorstellungen einer autonomen Kunst prallen.

Wo die Modernist:innen des 20. Jahrhunderts eine strenge Trennung der Malerei von der Außenwelt verfochten und das Medium auf Farbe auf einer ebenen Oberfläche reduzierten, sind Feinsteins Abstraktionen zutiefst mit der Welt in ihrer ganzen chaotischen Vielfalt verwoben: Kunst ist hier keine Flucht aus den Schrecken des Lebens, kein gesonderter Bereich, in den man sich in einer »reinen« und interesselosen Sinneserfahrung vertiefen könnte. Stattdessen konfrontieren die Arbeiten uns mit dem Durcheinander unserer Wirklichkeit, mit ihren Ungereimtheiten, ihrer Anstößigkeit, ihren Affekten. Deshalb ruft der Titel der Ausstellung auch eine Nachrichtensendung in Erinnerung, eine humorvolle Anspielung auf die vielfältigen Referenzen aus zeitgenössischer Politik und Popkultur, mit denen Feinstein arbeitet. Two Maps (2024) etwa befasst sich mit dem abgewirtschafteten Zweiparteiensystem in den USA und der anstehenden Präsidentschaftswahl. Das Diptychon Tagged (2019) wird von einer Regenbogenpalette mit gesiebdruckten Schwarzweißfotos italienischer Boxkämpfe aus den 1940ern dominiert. Die Arbeit referiert auf die rohe Qualität von Kampfkultur und Graffiti und spielt zugleich mit Farben, die ein hoffnungsvolles Symbol der Ermächtigung darstellen, aber auch mit der Aushöhlung dieser Botschaft durch ihre Kommerzialisierung. Golden Moments Silver Linings (2021–24) besteht aus einer dünnen Säule, die an Postkartenständer erinnert, wie sie vor Kiosken in Tourist:innenzielen in aller Welt stehen. Daran befestigt sind mit per Google-Suche gesammelte Polaroid-Sonnenuntergänge, die mit dynamischen Pinselstrichen bearbeitet sind. Die Arbeit beschwört die Sehnsucht nach Individualität und Romantik herauf und enthüllt zugleich die Austauschbarkeit und Klischeehaftigkeit dieses Wunsches.

Malerei ist für Feinstein nicht ein Fenster zu einer eigenen imaginären Welt, sondern grundsätzlich im Hier und Jetzt verortet. Ihre materiellen Bedingungen und der Prozess des Kunstmachens sind ein entscheidender Aspekt der Präsentation; siehe etwa das blaue Malerband, das eine Reihe von Arbeiten in der Ausstellung rahmt, und Leinwände, die nicht auf Keilrahmen gespannt, sondern wie Textilien an die Wand gehängt sind. In der Serie Red Dawn (2021–24) – eine Anspielung auf die dystopischen Actionfilme desselben Titels wie auch auf den aktuellen Kinohit Civil War – sind noch die rasterartigen Linien zu erkennen, an denen die billigen Abdecktücher, die die Künstlerin sich aus einem riesigen Amazon-Lagerhaus liefern ließ, gefaltet waren. Wieder andere Arbeiten werden auf Rollwägen gezeigt, mit denen normalerweise Gemälde aus Lager- in Ausstellungsräume gebracht werden, die dann aber selbst schnell verschwinden müssen. Feinstein lässt keinen Zweifel daran, dass ihr die höheren kulturellen Werte, für die die Malerei angeblich steht, nur zu bewusst sind. Dabei ist ihr Glaube an das Potenzial ihres Mediums, im Herzen unserer gemeinsamen Welt zu wirken, unverkennbar.

Zur Ausstellung Zeit im Bild produziert die Wiener Secession außerdem eine Publikation mit Essays von Kerstin Stakemeier und Damian Lentini, die Rochelle Feinsteins Kunst eingehend diskutieren, sowie einer einzigartigen Intervention der Künstlerin.

Künstler:innen
Rochelle Feinstein
wurde in der Bronx geboren und lebt in New York.

Programmiert vom Vorstand der Secession
Kuratiert von Damian Lentini

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