Das Thema Wohnen ist das soziale Thema unserer Zeit. Wie und wo wir wohnen hat Einfluss auf unser Wohlbefinden und prägt unser Verhalten und unsere Identität. Seit jeher haben Künstler:innen und Architekt:innen ihre Vorstellungen einer zukünftigen Architektur zunächst zeichnerisch imaginiert. Architekturzeichnungen vergangener Zeiten sind jedoch nicht nur Mittel der Ideenfindung oder Medium der Dokumentation für die realisierten Bauprojekte. Als »Auffangorgane des inneren und äußeren Lebens« (Aby Warburg) geben Sie immer auch Aufschluss über die Haltung der Architekt:innen und den Zeitgeist. Ausgehend von diesem kulturwissenschaftlichen Ansatz nimmt die Kunsthalle Tübingen die Architekturzeichnung als Kunstform der letzten einhundert Jahre in den Blick.
Anhand von Entwürfen sowie ausgewählten Modellen und Skulpturen aus dem 20. Jahrhundert bis heute wird veranschaulicht, wie der gesellschaftliche und technische Wandel neue Wohnkonzepten und Stadtvisionen von Künstler:innen und Architekt:innen beeinflusste. Der Parcours führt von expressionistischen Utopien einer an der Natur orientierten zukünftigen Weltarchitektur über die funktionalistischen und konstruktivistischen Wohn- und Stadtkonzepte der 1920er Jahre und einer Science-Fiction Architektur der 1960er Jahre bis hin zu experimentellen kulturkritischen Anti-Utopien der Nachkriegszeit und der Postmoderne. In der Gegenwart kommt die traditionelle Architekturzeichnung bei der Bauplanung nur noch selten zum Einsatz. Bereits in den 1990er Jahren hat die computergenerierte Illustrierung den von Hand gezeichneten Entwurf abgelöst und die KI-Entwurfs-Technik bietet Künstler:innen und Architekt:innen neue Möglichkeiten. Zum einen wird das Genre der Architekturzeichnung seit einigen Jahren in der Kunst erneut produktiv gemacht, zum anderen entstehen mit der digitalen Transformation auch hybride Entwurfstechniken, die überraschend neue Architekturansichten hervorbringen. Nicht zuletzt stellt das Projekt die Frage, wie ein humanes urbanes Leben der Zukunft aussehen kann und präsentiert studentische Entwürfe, die die Vorstellung von einem ›guten‹ Wohnen existentiell und zeitgemäß reflektieren.
Konzept und Kuratorin: Dr. Nicole Fritz
Kuratorische Assistenz: Zita Hartel
Eine Ausstellung der Kunsthalle Tübingen in Kooperation mit dem Deutschen Architekturmuseum, Frankfurt am Main (Direktor: Peter Cachola Schmal)
Experimentelles Labor: In Kooperation mit Prof. Dipl. Ing. Bettina Kraus, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und Prof. Dipl. Ing. Lars Uwe Bleher, Hochschule Darmstadt