INTERVENTION in der ständigen Ausstellung: Kollwitz trifft Kollegen
Bevor das Museum seine endgültigen, größeren Ausstellungsflächen im ersten Geschoß des Theaterbaus beziehen kann und so neben der Werkschau zu Käthe Kollwitz Raum für Wechselausstellungen erhalten wird, werden bis dahin zur Überbrückung im Format »Intervention« kleine, temporäre Sonderausstellungen einfach in die Sammlungspräsentation integriert. Im vergangenen Jahr konnte das Museum in drei thematisch verschiedenen »Interventionen« rare Drucke und einmalige zeichnerische Werke von Käthe Kollwitz aus zwei Privatsammlungen zeigen. In diesem Jahr widmet sich das Haus den Künstlerkollegen von Käthe Kollwitz. In einer ersten INTERVENTION wurden Arbeiten des Bildhauers Wilhelm Loth (1920–1993) gezeigt, nun folgen in der zweiten Intervention Werke des Tierbildhauers August Gaul (1869–1921).
Anknüpfend an die erfolgreiche Sonderausstellung zu August Gauls 150. Geburtstag »Von all den Künstlern warst nur Du mir lieb wie ein Freund« im Winter 2019/2020 freuen wir uns sehr, die bemerkenswerten Tierskulpturen des Bildhauers ein weiteres Mal einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. Die ausgestellten Plastiken wurden dem Kollwitz-Museum zusammen mit Grafiken und Archivalien als Dauerleihgabe von Charlotte Hansen-Gaul, der Enkelin des Künstlers, überlassen.
Der gebürtige Großauheimer August Gaul zählt zu den bedeutendsten Künstlern der Moderne. Mit Käthe Kollwitz war der Bildhauer lange Jahre kollegial eng verbunden, obwohl ihr künstlerischer Ansatz unterschiedlich war. Während Gaul mit Tierfiguren zu einem Erneuerer der deutschen Plastik wurde, konnte Kollwitz mit ihren von den sozialen Zuständen der Zeit angeregten Grafiken eine neuartige Ausdruckskunst etablieren.
Gaul gestaltete monumentale Skulpturen in Stein und Bronze ebenso wie Klein- und Kleinstformate und konzentrierte sich auf das Tiermotiv. »Ich will gar nicht die Natur pedantisch imitieren, sondern das Typische und ihren seelischen Kern festhalten. Vor allem will ich eine plastische Arbeit machen. (…) Was mich bei den Tieren anzieht, ist ganz wesentlich künstlerischer Art. Ich mache Tiere, weil es mich freut«, erklärte Gaul 1917 in einem Interview mit dem Publizisten Franz Servaes.
August Gaul und Käthe Kollwitz nutzten die gleichen Möglichkeiten, ihre Kunst an die Öffentlichkeit zu tragen. Beide Künstler waren seit der Jahrhundertwende engagierte Mitglieder in der Berliner Secession und präsentierten dort ab 1899 ihre Werke. Nach 1918 arbeiteten sie auch in der Preußischen Akademie der Künste zusammen, beide wurden vom Galeristen Paul Cassirer (1871–1926) vertreten und waren Wegbegleiter von Gerhart Hauptmann, Max Liebermann, Heinrich Zille und Ernst Barlach. Letzterer schilderte den Tierbildhauer als »über alle Maßen selbstlos«, der auch Käthe Kollwitz bei ihren autodidaktischen Bemühungen um die Bildhauerei unterstützte: »Heut […] war Gaul im Atelier und sah sich auf meine Bitte meine Arbeit an. Gab mir einige gute praktische Ratschläge. War wie immer riesig nett.« (Tagebuch v. 21.11.1916)