Mit
Sammy Baloji
Nilla Banguna
Jackson Bukasa & Dan Kayeye & Justice Kasongo
Sybil Coovi Handemagnon
Fundi Mwamba Gustave & Antje Van Wichelen
Franck Moka
Hadassa Ngamba
Isaac Sahani Dato
Georges Senga
Julia Tröscher
In seiner künstlerischen Arbeit untersucht Sammy Baloji die Geschichte des Bergbaus in seiner Heimatstadt Lubumbashi im Südosten der Demokratischen Republik Kongo. Dabei setzt er den tiefgreifenden Zerstörungen der Umwelt und
der sozialen Strukturen die Erinnerungen und Hoffnungen der Menschen in der Region Katanga entgegen. Die Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden, Aktivist:innen und Akademiker:innen sowie die Zusammenführung vieler Formen von Wissen und Produktion sind wesentliche Bestandteile seiner künstlerischen Praxis. Seine Einladung an zwölf Künstler:innen, mit denen er in der Demokratischen Republik Kongo oder in Europa im Austausch steht, ist eine Fortsetzung dieser Entwicklung kollektiver Strukturen, die er als Strategie des Widerstands gegen den Extraktivismus, einer Wirtschaftsform bei der Rohstoffe ohne Rücksicht auf Mensch und Natur »herausgezogen« werden, versteht.
Die Ausstellung entfaltet sich entlang dreier thematischer Stränge, die in direktem Bezug zu Sammy Baloji’s Arbeiten aus den letzten Jahren sowie zu seiner aktuellen Forschung stehen. »Enteignung von Land & die Umwandlung von Grund in Rohstoff« geht auf Baloji‘s künstlerische Dokumentation der extraktiven Industrien in der Region Katanga zurück, die Land in Ressourcen verwandeln und Gesellschaften als bloße Reservoire für Arbeitskräfte betrachten. Diese konfrontiert Baloji mit den Erinnerungen, Hoffnungen und Projekten von Menschen, die in den Ruinen von Kolonialismus, industriellem Bergbau und kapitalistischer Weltwirtschaft leben. Auch Franck Moka’s Projekt Shimoko, das mit einer mehrmonatigen Recherche begann, beleuchtet die Arbeit in den Minen Lubumbashis und die daraus resultierende Umweltverschmutzung. Ngamba arbeitet mit Mineralien wie Malachit, Katanga-Kassiterit, Teer und Holzkohle, und bringt diese in ihrer Arbeit Cerveau (Gehirn) zusammen mit Kaffee auf Leinwand auf. In seiner Fotoserie Tshanga Tshanga hält Georges Senga in Nah- und Luftaufnahmen die landschaftlichen und sozialen Folgen des Extraktivismus in der Gegend der kongolesischen Stadt Manono fest.
In Baloji’s Arbeit spielt die Auseinandersetzung mit dem kolonialen Archiv eine zentrale Rolle: jenseits von abwertenden Darstellungen und ethnographischen Zuschreibungen sucht er nach Spuren von Praktiken und historischen Erfahrungen, die Bewohner:innen der Gegend durch die radikalen Veränderungen ihrer Gesellschaften hindurch weitergaben und entwarfen. Diese »Konfrontation mit dem kolonialen Archiv und seinen Kontinuitäten« stellt den zweiten thematischen Strang der Ausstellung dar. Sybil Coovi Handemagnon zeigt eine Installation zur Toxizität kolonialer Sammlungen. Toxizität bezeichnet darin sowohl die chemischen Rückstände von Insektiziden, die die Verwendung der Objekte verändern, als auch die anhaltende toxische Wirkung der Plünderung von Kulturgütern in der Kolonialzeit. Fundi Mwamba Gustave & Antje Van Wichelens experimenteller Horrorfilm begleitet Dr. Fundi, das fiktive Alter Ego des Filmemachers, auf der Suche nach einem Heilmittel für »Monstrifikation«: ein fiktives Phänomen, das durch Umweltverschmutzung ausgelöst wird und zu Monsterähnlichem Verhalten führt. Isaac Sahani Dato‘s Multi-Media-Installation Topos geht eine lange Recherche zu kolonialen Landkarten, der Bezeichnungen von Orten, ihrer Umbenennung und ihrer Aneignung durch die Kolonialmacht voraus.
In den Arbeiten von Nilla Banguna, Julia Tröscher und Jackson Bukasa & Dan Kayeye & Justice Kasongo werden prekäre narrative und pikturale Vermächtnisse neu gelesen und angeeignet. So zum Beispiel das Kasala, ein mündlich vorgetragenes Gedicht, das die Geschichte einer Person oder einer Gemeinschaft zelebriert, indem es genealogische und biographische Elemente mit Mythen und Erzählungen zur kosmischen Ordnung der Welt kombiniert, oder die Bemalung der Lehmwände der Häuser des Dorfs Makwacha, die die dort lebenden Frauen jedes Jahr neugestalten: »Transmission durch Transformation«.
Gemeinsam entwickeln die vertretenen Künstler:innen immer neue Formen und Kooperationen, um sich den Auswirkungen des Extraktivismus zu widersetzen. Sie stellen unterbrochene Wissensketten wieder her, beleuchten die Konsequenzen des globalen Konsumverhaltens und der wirtschaftlichen Profitmaximierung, und rücken die Menschen in den Fokus. Die Vielstimmigkeit der Ausstellung führt die langjährige Arbeit der Künstler:innen und Kulturschaffenden im Umfeld von Sammy Baloji zur Entwicklung kollektiver Strukturen in Lubumbashi fort. In ihrem Zentrum steht Picha, eine unabhängige Plattform die von kongolesischen Künstler:innen getragen wird, und die unter anderem die Lubumbashi Biennale ausrichtet. Die in der Kunsthalle gezeigten Arbeiten wurden von den Künstler:innen im Rahmen dieser Strukturen, Picha und der Lubumbashi Biennale oder in Zusammenarbeit mit Framer Framed Amsterdam sowie dem Forschungsprojekt Reconnecting »Objects« entwickelt und werden erstmals in Deutschland gezeigt.
Die Ausstellung basiert auf einem Konzept von Lotte Arndt & Sammy Baloji.
Die Ausstellung in der Kunsthalle Mainz wird gefördert durch den Kultursommer Rheinland-Pfalz, Wallonie-BruxelIes International (WBI), kiosk Vlaanderen, das Bureaux des Arts Plastiques des Institut français und das Königreich Niederlande.